Heißes Versprechen
unnatürlichen Tat fähig sein sollte. Ich wollte lediglich auf das Ergebnis der ... äh ... leidigen Vorfälle hinweisen.«
»Danke, Henry. Ich weiß, dass ich für diese tief greifenden Betrachtungen auf Sie angewiesen bin.« Artemas ging zu seinem Schreibtisch zurück und lehnte sich dagegen. »Wenn wir schon bei den nackten Tatsachen sind, so muss ich in diesem Zusammenhang noch eine weitere erwähnen.«
»Und die wäre, Sir?«
»Renwick Deveridge hatte das Vanza erlernt. Es konnte kein leichtes Unterfangen gewesen sein, ihn umzubringen.«
Henry blinzelte mehrmals hinter seinen Brillengläsern, während er dies einzuordnen suchte. »Ich verstehe, was Sie sagen wollen. Die Vorstellung, eine Frau hätte das bewerkstelligen können, fällt nicht leicht.«
»Aber auch kein normaler Einbrecher.«
Henry warf ihm einen besorgten Blick zu. »Wohl wahr.«
»Wenn ich im Zusammenhang mit Deveridges Tod unter den beiden möglichen Verdächtigen wählen müsste, so würde ich auf die Dame setzen.«
Henry schien das zu schmerzen. »Ich kann nur sagen, bei der Vorstellung, eine Frau könne zu solch gewalttätigen Mitteln greifen, läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. Darin stimmen Sie mir doch zu, nicht wahr?«
»Mit dem eiskalten Schauer bin ich mir nicht so sicher, doch zweifelsohne wirft dies ein paar hochinteressante Fragen auf.«
Henry stöhnte laut auf. »Genau das hatte ich befürchtet.«
Artemas musterte ihn. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Von der Minute an heute Morgen, als ich Ihre Nachricht erhielt, wusste ich, dass irgendetwas mit der ganzen Sache nicht stimmt. Was Madeline Deveridge betrifft, sind Sie viel zu neugierig.«
»Sie bereitet mir Probleme. Ich bemühe mich, Auskünfte zu sammeln, die dieses Problem berühren. Sie kennen mich, Henry. Ich habe gerne alle Informationen zusammen, ehe ich zur Tat schreite.«
»Bemühen Sie sich nicht, mich mit derart wässrigen Erklärungen abzulenken. Diese Sache ist mehr als nur rein geschäftlich für Sie, Artemas. Wie ich sehe, sind Sie von Frau Deveridge fasziniert. Deutlicher gesagt, habe ich Sie seit sehr langer Zeit kein derart heftiges persönliches Interesse an einer weiblichen Person bekunden sehen.«
»Sie sollten sich für mich freuen, Henry. Seit langem schon mahnen Sie mich, meine Rachepläne würden mich zu sehr vereinnahmen. Zumindest wird meine Bekanntschaft mit Frau Deveridge meinen Interessenshorizont und meine Aktivitäten eine Zeit lang leicht erweitern.«
Henry blickte ihn ernst an. »Leider gehe ich nicht davon aus, dass sie sich auf positive Art und Weise erweitern werden.«
»Wie dem auch sei, ich habe etwas Zeit totzuschlagen, bis meine anderen Pläne so weit vollendet sind.« Artemas hielt inne. »Ich werde mich wohl mit einer etwas genaueren Ermittlung über Frau Deveridge befassen.«
4. Kapitel
Während er die Treppe emporstieg, musterte er das kleine, am Ende einer Straße gelegene Häuschen. Es war zwar nicht groß, doch besaß es wohlproportionierte Fenster, die reichlich Licht einließen und einen guten Ausblick auf den Park boten. Die Gegend schien ruhig und abgeschieden, doch als en vogue konnte man sie mitnichten bezeichnen.
Frau Deveridge mochte die nicht unwesentlichen Erbvermögen ihres Vaters und ihres Mannes verwalten, doch hatte sie das Geld nicht für eine üppige Villa in einem der zurzeit begehrten Bezirke ausgegeben. So weit Henry hatte herausfinden können, lebte sie zurückgezogen mit ihrer Tante zusammen.
Artemas war sich bewusst, dass die die Dame umgebenden Geheimnisse von Minute zu Minute interessanter wurden. Dem entsprach auch seine Erwartungshaltung, sie zum ersten Mal bei vollem Tageslicht zu Gesicht zu bekommen. Die Erinnerung an ihre von einem schwarzen Schleier provozierend verdeckten Augen hatte ihm letzte Nacht mehrere Stunden Schlaf gekostet.
Die Tür wurde geöffnet, und Latimer füllte den schmalen Flur aus. Bei Tageslicht wirkte er noch größer, als es gestern Nacht bei Nebel den Anschein gehabt hatte.
»Herr Hunt.« Latimers Augen leuchteten auf.
»Guten Tag, Latimer. Wie geht es Ihrer Nellie?«
»Dank Ihnen gesund und munter, Sir. Sie erinnert sich kaum an das Geschehene, und das ist sicherlich nur gut so.«
Latimer zögerte. »Ich möchte Ihnen nochmals versi-chern, Sir, wie dankbar ich Ihnen für das bin, was Sie getan haben.«
»Wir waren doch ein ausgezeichnetes Gespann, nicht wahr?« Artemas betrat das Haus. »Bitte unterrichten Sie Frau Deveridge von meiner Ankunft.
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