Heißes Versprechen
Sir. Doch sind Sie sich wirklich sicher, dass ich nicht zu Ihrem Schutz abgestellt werden sollte?«
»Ich brauche Sie auf den Straßen zum Sammeln von Informationen, Zachary, und nicht, um mich zu bewachen. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
Zachary zögerte, dann nickte er. »Also gut, Sir.«
Artemas musterte nachdenklich die Kammer. »Zweifelsohne hat er Lucy gut entlohnt. Sogar so gut, dass sie es sich leisten kann, nach Belieben auf unbegrenzte Zeit in den Rotlichtbezirken unterzutauchen.«
Wieder runzelte Zachary sorgenvoll die Stirn. »Wir werden sie finden, doch mag es ein Weilchen dauern. Sie wissen ja, wie es in diesem Teil der Stadt zugeht. Ein richtiges Labyrinth ist das.«
»Das Geld wird nicht ewig reichen. Früher oder später wird sie sich hervorwagen, um sich ein paar Kunden zu angeln. Dann werden wir sie in die Finger bekommen.«
»Das könnte jedoch zu spät sein, um noch von Nutzen zu sein«, brummte Zachary.
Artemas lächelte schwach. »Deshalb werden wir auch nicht alles darauf setzen, sie zu finden. Erinnern Sie sich an die alte Vanza-Weisheit: Wen« man nach Antworten sucht, so muss man dort nachschauen, wo man sie nicht zu finden erwartet. Wir haben außer den Rotlichtbezirken noch andere Orte zu durchsuchen.«
Zachary sah ihm in die Augen. »Wir hier auf der Straße haben auch ein paar alte Weisheiten, Herr Hunt. Geh keine dunkle Gasse lang, es sei denn, du hältst eine Pistole in der Hand und hast einen Freund im Rücken.«
»Ein guter Ratschlag«, erwiderte Artemas. »Den werde ich mir merken.«
Madeline erwachte und stellte fest, dass sie zum ersten Mal seit langem tiefer und länger geschlafen hatte. Das Beste daran war, dass sie weder von Feuer noch Blut, beides vom hässlichen Lachen eines Toten untermalt, geträumt hatte.
Gut gelaunt schob sie die Bettdecken zurück. Als sie aus dem Fenster blickte, sah sie wie so häufig dichten grauen Nebel, doch konnte das ihre gute Laune nicht beeinträchtigen. Sie fühlte sich voller Tatendrang und wollte dem Geheimnis von Renwicks Geist auf der Stelle nachspüren.
Doch dann fiel ihr ein, dass sie am Frühstückstisch sehr wohl Artemas begegnen könnte.
Ihre Begeisterung wurde abrupt gedämpft. Die Begegnung mit einem Geist mochte ihr leichter fallen als die mit Artemas. Sie starrte ihre vom Schlaf zerknitterte Gestalt im
Spiegel des Frisiertisches an. Es war eine Sache, den Traumhändler um Hilfe beim Auffinden einer Dienstmagd zu bitten und anschließend einen Handel einzugehen, für den er ihr bei der Verfolgung des rachsüchtigen Geistes ihres verstorbenen Mannes zu Diensten war. Eine ganz und gar andere Sache jedoch war es, sich vollkommen unverfänglich bei Eiern und Toast mit ihm zu unterhalten, nachdem sie ihm gestattet hatte, sie zu verführen.
Ihre eigene Zögerlichkeit irritierte sie. Warum nur war sie derart nervös, Artemas heute wieder zu sehen? Sie hatte ihm gestern bereits ausführlich auseinander gesetzt, dass bei näherer Betrachtung sich ganz eindeutig gar nichts verändert hatte. Sie war an diesem Morgen immer noch die Verruchte Witwe, genau wie sie es gestern gewesen war. Eine Dame konnte wohl in den Augen eines Gentleman kaum noch verrufener dadurch werden, dass er darauf gestoßen war, dass sie eine jungfräuliche Witwe gewesen war.
Ihre Hände klammerten sich am Waschbecken fest. Warum nur erschien heute alles so kompliziert?
Missmutig betrachtete sie ihr Spiegelbild. Ihre glühende, leicht gerötete Haut war wirklich ein zu ärgerlicher Anblick.
Wut durchzuckte sie. Weswegen sollte sie sich derart verunsichert fühlen? Es stand Artemas gar nicht an, etwa hochnäsig oder spöttisch zu werden. Immerhin war er ein Gentleman, der sein Geld als Geschäftsmann verdiente.
Sie stöhnte laut auf und griff nach dem Wasserkrug. Wenn sie Glück hatte, würde er vielleicht lange schlafen, dachte sie. Oder aber er war einer jener Gentlemen, die früh aufstanden und noch vor den übrigen Mitgliedern des Haushalts ihr Frühstück einnahmen. So jedenfalls hatte es ihr Vater gehalten.
Sie goss kaltes Wasser in das große weiße Becken und benetzte gründlich ihr Gesicht. Zitternd fuhr sie ihren Körper mit einem Schwamm ab. Dann zog sie ihr strengstes schwar-zes Kleid an, das am Saum mit grauen Satinblüten abgesetzt
war.
Derart gerüstet öffnete sie die Tür und ging die Treppe hinunter, um sich im Frühstücksraum zu zeigen.
Doch war das Glück nicht auf ihrer Seite. Artemas hatte nicht lange geschlafen. Er
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