Heißes Versprechen
beobachtet.«
»Möglich.« Er klang eher ausweichend.
Eine düstere Vorahnung durchfuhr sie. »Sie glauben doch nicht, dass ein Fremder dies getan hat, nicht wahr? Es war Renwicks Geist.«
»Ich schlage vor, dass wir den Mann nicht länger als Geist bezeichnen. Das kompliziert alles nur noch. Wer immer er sein mag, er ist aus Fleisch und Blut.«
»Und ein Vanza.«
Hierzu äußerte er sich nicht.
Sie ging hinter ihm her und hielt ein weiteres Mal inne, als er kurz in das Esszimmer blickte. Dort waren die Möbel mit dicken, schützenden Decken abgedeckt. Schwere Gardinen schützten die Fenster.
»Offenbar hat Pitney nicht viel Gesellschaft gehabt«, bemerkte Artemas trocken.
»Ein wirklich sehr seltsamer Zeitgenosse«, stimmte Madeline zu. »Doch schließlich ist er ein ...«
»Lassen Sie es unausgesprochen. Dies ist nicht der geeignete Augenblick, mir Ihre Meinung zu diesem Thema nahe zu legen.«
Sie schwieg.
Gemeinsam sahen sie sich die oberen Stockwerke an. Überall war ein Durcheinander. Kleidungsstücke waren aus den Schränken gezerrt worden, und Schubladen hatte man ihres Inhalts entleert. Truhen lagen aufgerissen und umgekippt.
»Was suchte derjenige?«, fragte Madeline.
»Dasselbe, wonach er auch in Linslades Bibliothek ge-sucht hat. Das Buch der Geheimnisse vielleicht, obwohl mir unbegreiflich ist, wie ein Mann von Verstand an seine Existenz glauben kann.«
Sie hielt inne. »Ich glaubte deutlich zum Ausdruck gebracht zu haben, dass Renwick Deveridge gerade kein von der Vernunft bestimmter Mann war.«
»Richtig, etwas in dieser Richtung hatten Sie erwähnt.« Artemas blickte auf das schmale Treppenhaus am Ende des Flurs. »Wir können genauso gut dort zurückgehen.«
»Und was ist mit dem Keller? Sicher gibt es dort große Vorratsräume«, meinte Madeline, als sie ihm die Hintertreppe hinunter folgte. »Vielleicht hat der Geist, ich meine der Eindringling, vergessen, sie zu durchsuchen.«
»Sicher ist er sehr gründlich vorgegangen, doch können wir einen Blick darauf werfen.«
Im Flur vor der Küche fand Artemas eine Tür, die auf die Treppe in den Keller führte. Er hielt inne, um die Laterne anzuzünden, dann begann er den Abstieg zu einer Reihe von verstaubten Vorratsräumen.
Madeline betrachtete die immer noch versiegelten Kisten und verschlossenen Truhen. »Es scheint, dass sich der Einbrecher mit diesen Räumen nicht abgegeben hat. Vielleicht hat er den Keller gar nicht entdeckt.«
Am Ende der Stufen blieb Artemas stehen und hob die Laterne hoch. »Er war hier.«
Sie blieb hinter ihm stehen. »Wie kommen Sie darauf?«
»Wegen der Fußabdrücke auf dem staubigen Boden. Zwei unterschiedliche Paare.« Er hielt das Licht schräg. »Einer der beiden hört an der Wand auf. Der zweite kehrt zu dieser Treppe zurück. Die beiden Männer sind erst kürzlich hier heruntergekommen, doch nur einer der beiden ist wieder zurückgekehrt.« Madeline blickte auf die Stelle, wo die ersten Fußabdrücke aufhörten. »Man möchte glauben, einer der beiden könne durch Mauern gehen.«
»Hmm.« Artemas trat an die Steinmauer heran und musterte sie eingehend. Dann glitt er mit dem Finger an einer Fuge entlang und drückte vorsichtig dagegen. Ein leises, gedämpftes Quietschen ertönte.
Madeline eilte hinzu. »Ist ein Mechanismus in der Wand versteckt?«
»Ja.«
Als sie neben ihn trat, war ein Stein bereits zur Seite geschwungen und legte ein weiteres schweres Eisenschloss frei. Artemas stellte die Laterne ab und holte seine Dietriche hervor.
»Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass Pitney klassische Vanza-Muster und Anfertigungen bevorzugt«, bemerkte er. »Tradition hat durchaus ihre Vorzüge.«
Kurz darauf atmete er befriedigt aus. In der Wand verbargen sich gut geölte Seilwinden und Kabel. Madeline beobachtete fasziniert, wie ein Teil der Mauer zur Seite glitt.
»Noch eine Treppe«, flüsterte sie. »Unter dieser Kammer muss sich eine weitere befinden.«
»Dieser Teil des Hauses ist sehr alt.« Artemas betrachtete die alte Steintreppe, die in die Dunkelheit hinabführte. »Diese Treppe führt dorthin, wo sich seinerzeit ein Kerker befunden haben musste. Dort mag es auch einen Fluchtweg geben. In alten Burgen und Festungen war das recht häufig der Fall.«
Madeline blickte in die tiefe Dunkelheit des Treppenhauses. »Vielleicht hat Herr Pitney ihn benutzt, um dem Eindringling zu entkommen.«
Artemas wirkte nachdenklich. »Ich werde später zurückkehren, um nachzusehen, wohin diese
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