Heißes Versprechen
ich Schlösser entriegeln kann?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Sie sind ein Vanza. Meiner Erfahrung nach beweisen diejenigen, die in dieser alten Kunst ausgebildet wurden, beim Aufbrechen verschlossener Türen viel Geschick.«
»Sie scheinen derartige Fertigkeiten nicht sonderlich zu schätzen«, bemerkte er und zog einen Satz Dietriche aus seinem Mantel hervor.
Szenen ihrer Albträume tobten ihr durch den Kopf. Sie sah sich selbst vor der Tür der Schlafkammer kniend, wie sie versuchte, den immer wieder ihren Händen entgleitenden Schlüssel ins Schloss zu stecken.
»Zugegebenermaßen haben derartige Fertigkeiten auch ihre Vorteile«, bemerkte sie schwach. »Und Ihren Fertigkeiten mit den Dietrichen kann ich mich wohl kaum widersetzen. Mein Vater erwies sich im Umgang mit ihnen ebenfalls als sehr geschickt. Er hat mich sogar gelehrt ... ach, lassen wir das. Momentan tut es nichts zur Sache.«
Artemas warf ihr einen knappen, forschenden Blick zu, ehe er sich an die Arbeit machte, enthielt sich jedoch jeglichen Kommentars.
Als die Sekunden verstrichen, wurde Madeline nervös. »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
»Pitneys Befürchtungen so genannter Fremder gegenüber, die ihn verfolgen, hat ihn zu einer Spezialanfertigung der Schlösser veranlasst.« Artemas’ Gesichtsausdruck wirkte sehr konzentriert. »Dieses sind keine gewöhnlichen Schlösser, wie man sie bei jedem Schlosser erhalten kann.«
Sie beobachtete, wie er vorsichtig mit den Dietrichen hantierte. »Sie werden es aber dennoch schaffen, nicht wahr?«
»Vielleicht.« Er beugte sich dichter über das schwere Eisenschloss. »Wenn Sie mich nicht ständig ablenken.«
»Verzeihung«, murmelte sie.
»Na also, da haben wir es. Ein sehr ausgeklügeltes Schema, das auf einem Vanza-Muster basiert. Ich darf nicht vergessen, Pitney nach dem Schlosser zu fragen, der das für ihn angefertigt hat.«
Das professionelle Interesse in seiner Stimme beunruhigte sie. »Seien Sie nicht albern. Pitney können Sie wegen der Schlösser nicht fragen, ohne gleichzeitig zuzugeben, dass Sie in sein Haus eingebrochen sind.«
»Danke, dass Sie mich auf diese kleine Unachtsamkeit aufmerksam gemacht haben.« Er ließ die Dietriche in seine Tasche zurückgleiten und öffnete die Tür.
Madeline starrte in eine enge, düster wirkende Eingangshalle. Weder ein Diener noch eine Haushälterin schienen Erklärungen zu verlangen noch den Alarm auszulösen.
Vorsichtig trat sie über die Schwelle. »Das Haus scheint tatsächlich unbewohnt zu sein. Wo wohl Herr Pitney hingefahren ist?«
»Mit etwas Glück werden wir möglicherweise einen Hinweis darauf finden. Dann werde ich Leggett damit beauftragen, ihm ein paar Fragen zu stellen. Ich würde zu gerne wissen, weswegen Pitney es für nötig befunden hat, die Stadt zu verlassen.«
»In der Tat, ich ...« Madeline hielt in der Küchentür inne und blickte auf ein Stück Käse und einen halb verzehrten Brotlaib. »Offenbar hat Herr Pitney das Haus vor kurzem in großer Eile verlassen. Das Brot ist noch frisch.«
Artemas’ Augen wurden schmal. »Kommen Sie, wir müssen uns beeilen. Ich möchte mich hier nicht länger als unbedingt notwendig aufhalten.«
Er wandte sich ab und verschwand im Flur. Madeline eilte ihm nach und holte ihn ein, als er vor einer anderen Tür stehen geblieben war.
»Die Bibliothek?«, fragte sie, hinter ihn tretend.
»Ja.« Regungslos blickte Artemas konzentriert in das Zimmer. »Entweder Pitney benötigt dringend die Dienste einer Haushälterin, oder aber jemand anderes ist uns bereits zuvorgekommen.«
»Was meinen Sie damit?« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte über seine Schulter. Der Atem stockte ihr, als sie die auf dem alten Teppich verstreuten Bücher und Papiere sah. »Gütiger Himmel. Sicher hat nicht Pitney diese Unordnung zu verantworten. Dies ist mit einer gewissen Absonderlichkeit kaum zu erklären. Außerdem tendieren die Exzentriker des Vanza eher zur Ordnung und Genauigkeit. Unordnung ist ihnen zuwider.«
»Eine ausgezeichnete Beobachtung.« Artemas trat zurück und eilte den Flur entlang.
»Warten Sie«, rief sie ihm leise nach. »Wollen Sie dieses Zimmer nicht durchsuchen?« »Das halte ich für wenig sinnvoll. Wer auch immer uns hier zuvorgekommen ist, wird alles, was möglicherweise von Interesse gewesen wäre, bereits mitgenommen haben.«
»Artemas, vielleicht hatte Herr Pitney immer schon Recht. Vielleicht wurde er tatsächlich von jemandem
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