Heißes Versprechen
später schlug eine Faust gegen die Holztür.
»Madeline! Öffnen Sie sofort die Tür!«
Atemlos und in kaltem Schweiß gebadet, raffte sie sich auf und eilte zur Tür, um sie aufzuschließen. Sie riss sie auf und wäre um ein Haar von Artemas überrannt worden.
»Was zum Teufel ...?« Er blieb unmittelbar hinter der Schwelle stehen und erfasste den Raum mit einem Blick.
»Es ist schon gut«, beeilte sie sich zu sagen. »Es tut mir Leid wegen des Schreis.«
Er sah sie an, dann trat er mit drei großen Schritten ans Fenster. Er zerrte den Vorhang beiseite und überprüfte die Schlösser. Dann wirbelte er herum und blickte auf die gelöschte Kerze.
»Ich habe meditiert«, erklärte sie. »Ich habe versucht, die Bilder meines Traums heraufzubeschwören.«
Bernice erschien in der Tür. Ihr Gesicht war von Sorge überschattet. »Was um Himmels willen geht hier vor?«
»Ist irgendetwas nicht in Ordnung?« Eaton Pitney tauchte, den einen Arm in einer Schlinge, hinter Bernice auf. Seine buschigen Augenbrauen waren bestürzt zusammengezogen. »War es ein Fremder?«
»Nein, nein, nicht doch«, erwiderte Madeline. Sie stöhnte, als auch noch die Haushälterin im Flur auftauchte. »Ich habe meditiert. Etwas hat mich erschreckt. Bitte, es gibt keinerlei Grund zur Beunruhigung.«
»Ich kümmere mich um die Sache, Frau Jones«, wandte sich Artemas an die Haushälterin. »Bitte sagen Sie auch den anderen Bediensteten Bescheid.«
»Sehr wohl, Sir.« Frau Jones wandte sich erleichtert ab und verschwand mit Nellie im Schlepptau.
Artemas wartete, bis sie die Treppe hinunter verschwunden waren. Dann sah er Madeline an. »Was zum Teufel ist geschehen?«
»Mein Traum.« Sie blickte Eaton Pitney an. »Es ist eine lange Geschichte, Sir, doch möchte ich jetzt nur so viel sagen, dass ich unter einem immer wiederkehrenden Traum leide. Gestern Nacht jedoch war irgendetwas darin anders. Es ging um einen Schlüssel.«
»Einen Schlüssel?« Pitney legte den Kopf zur Seite. »Zu einer Tür, wollen Sie sagen?«
Artemas musterte sie. »Was ist mit dem Schlüssel?«
»Er taucht jedes Mal in meinem Traum auf, doch gestern ließ ich ihn fallen, und anstatt ihn wieder aufzuheben, wie ich es für gewöhnlich tue ...« Sie brach ab und wandte sich erneut Pitney zu. »Sir, gestern sagten Sie mir, Sie glaubten nicht, das kleine Bändchen, das ich Ihnen zeigte, könnte das Buch der Geheimnisse sein.«
»Gänzlich ausgeschlossen. Das Ding ist ja noch nicht einmal in der richtigen Sprache verfasst.«
»Gemeinsam haben wir jedoch die Möglichkeit erwogen, es könne sich um eine Art von Code handeln.«
»Nun denn?«
Sie atmete tief durch. »Lord Linslade hatte eine Unterhaltung mit einem Eindringling, den er für den Geist meines verstorbenen Mannes hielt. Linslade zufolge haben sich das Gespenst und er über das Buch der Geheimnisse unterhalten. Renwicks Geist meinte offenbar, selbst wenn das Buch gefunden werden würde, würde man doch noch einen Weg finden müssen, es zu übersetzen, denn nur sehr wenige Gelehrte seien dieser alten Sprache mächtig.«
»Vollkommen richtig«, stimmte Pitney zu.
»Und Sie selbst berichteten, der Fremde, der Sie in Ihrem Labyrinth überraschte, habe einen Schlüssel von Ihnen verlangt.«
»Worauf wollen Sie hinaus, Madeline?«, drängte Artemas.
»Was, wenn das Buch der Geheimnisse gar nicht den Flammen zum Opfer gefallen ist?«, fuhr Madeline unbeirrt fort. »Was, wenn jemand es jetzt in den Händen hält und den Code sucht, den er zur Entschlüsselung seiner Geheimnisse noch benötigt? Was, wenn dieses merkwürdige kleine Bändchen, das ich zu entziffern versucht habe, der Schlüssel für das Buch der Geheimnisse ist?«
18. Kapitel
Er stand hinter dem Paravent im Dunkeln und lugte durch die in das Muster eingewobenen Löcher. Die beiden Männer hatten nacheinander den elegant hergerichteten Speisesaal betreten. Beide schienen zunächst über die Gegenwart des anderen überrascht, doch überspielten sie das beiderseitige Erstaunen mit den üblichen Begrüßungsfloskeln. Keinem jedoch gelang es, das eigene Unbehagen gänzlich zu verbergen. Sie schauten einander nicht in die Augen, während sie das vom Kaminfeuer beleuchtete Zimmer musterten.
Der Tisch war für vier Personen gedeckt worden, und das Licht der Kerzen spiegelte sich in dem Kristall und dem Silber. Schwere Samtvorhänge vor den hohen Fenstern verdeckten die Aussicht auf die nebelverhangenen Vergnügungsgärten. Die Geräusche der
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