Heißes Versprechen
Sie ständig über die Schulter hinweg nach mir Ausschau halten, werden Sie möglicherweise den wirklichen Mörder nicht bemerken, wenn er unmittelbar vor Ihnen steht.«
»Genau wie es uns nicht aufgefallen ist, dass wir in unseren finanziellen Ruin gelockt wurden?«, knurrte Flood.
Artemas lächelte. »Ganz richtig. Ich rate Ihnen, sich vor allen neuen Bekanntschaften in Acht zu nehmen.«
»Nicht doch.« Glenthorpes Atem ging flach und unregelmäßig. »Nein, das kann alles gar nicht wahr sein.«
Floods Mund verkrampfte sich. »Wenn Sie Oswynn nicht umgebracht haben, Hunt, wer war es dann?«
»Eine ausgezeichnete Frage.« Artemas nippte abwesend an seinem Claret. »Und eine, die ich bald zu beantworten hoffe. Doch in der Zwischenzeit müssen wir davon ausgehen, dass der Mörder sich einen von Ihnen als nächstes Opfer aussuchen wird. Es ist durchaus möglich, dass er Sie alle beide umlegen wird. Das ist auch der Grund, weswegen ich Sie heute Abend hierher eingeladen habe. Bevor Sie in den Tod gehen, möchte ich, dass Sie beide wissen, dass Catherine Jensen Genugtuung widerfahren ist.«
Glenthorpe schüttelte hilflos den Kopf. »Aber weshalb sollte dieser Schurke uns umzubringen versuchen?«
»Aus demselben Grund, aus dem er auch Oswynn umgebracht hat. Er hofft, mich damit von einer anderen Angelegenheit abzulenken, in die ich tief verwickelt bin«, erwiderte Artemas. »Wie ich gestehen muss, ist es ihm gelungen, meine Aufmerksamkeit abzulenken. Das muss ich in Zukunft vermeiden.«
Flood musterte ihn. »Und worum handelt es sich bei dieser anderen Angelegenheit?«
»Das geht Sie nichts an«, erwiderte Artemas. »Zunächst genügt es festzuhalten, dass meine Bekanntschaft mit Glenthorpe und mit Ihnen bis auf weiteres beendet ist. Die Ereignisse haben mich gezwungen, meine Karten früher als geplant aufzudecken. Für den Moment muss ich mich damit zufrieden geben, dass bei Ihnen beiden morgen früh Ihre Schuldner vor der Tür stehen werden.«
»Ich bin ruiniert«, keuchte Glenthorpe. »Bis auf die Knochen ruiniert.«
»Wohl wahr.« Artemas bewegte sich Richtung Tür. »Doch entschädigt es noch nicht einmal ansatzweise für das, was Sie vor fünf Jahren getan haben. An langen, kalten Winternächten wird es Ihnen noch genügend Stoff zum Nachdenken liefern, vorausgesetzt natürlich, Oswynns Mörder legt Sie nicht vorher schon um.«
»Zur Hölle mit Ihnen, Sie verdammter Mistkerl«, knurrte Flood. »Damit werden Sie nicht so einfach davonkommen.«
»Falls ich in irgendeiner Weise Ihrer Ehre zugesetzt haben sollte, fühlen Sie sich frei, mich zum Duell herauszufordern.«
Flood wurde vor Wut krebsrot, schwieg jedoch.
Artemas trat in den Flur hinaus und schloss die Tür. Er hörte, wie ein Gegenstand, möglicherweise die Flasche Claret, gegen die Holzvertäfelung prallte.
Er ging die Treppe hinunter und trat in die trübe Nacht hinaus. Der Nebel hatte die Begeisterung der Menschenmenge nicht dämpfen können, doch hatten die meisten Besucher für den heutigen Abend Innenveranstaltungen gewählt. Die Lichter des Kristallpavillons leuchteten. Er ging einen sich entlangschlängelnden, von Laternen beleuchteten Weg hinunter. Keiner kam ihm entgegen.
Nun war es endlich vorbei. Fünf lange Jahre hatte er seine Zeit auf die Planung und endlose Varianten der Vorgehensweise verwandt, heute Abend war alles zu seinem Ende gekommen. Oswynn war tot, Flood und Glenthorpe waren ruiniert und mochten von ihm aus dem Schurken zum Opfer fallen, der sich als Geist von Renwick Deveridge ausgab. Das sollte reichen.
Er spürte, dass er auf etwas wartete, doch empfand er nichts. Wo war die Befriedigung? Das Gefühl, dass ihnen Gerechtigkeit widerfahren war? Wo war das Gefühl eines inneren Friedens?
Er lauschte dem Applaus, der aus dem Silberpavillon herüberdrang. Die Vorführung des Magiers war soeben zu Ende gegangen.
Es kam ihm so vor, als habe er die letzten fünf Jahre in Trance verbracht. Vielleicht hatte Madeline Recht. Vielleicht war er tatsächlich über alle Maßen absonderlich. Welcher klarsichtige Mann bei Verstand würde fünf Jahre darauf verwenden, einen Racheplan auszuhecken?
Er kannte die Antwort: ein Mann, der nichts Wichtigeres im Leben hatte als kalte Rache.
Diese bedrückende Erkenntnis lastete wie ein Fels auf seiner Seele. Er verließ die Gärten durch das Westtor und ging zu den im Schatten wartenden Kutschen. Als er jedoch eine sehr bekannte kleine schwarze Kutsche auf der Straße stehen sah, hielt
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