Heisshunger go Home
Bärenfell anlegen soll, als plötzlich ein Säbelzahntiger aus dem Gebüsch stürzt. Der Kampf-Flucht-Mechanismus wird aktiviert. Das Adrenalin schießt ein, lässt die Pupillen des Urmenschen weit werden, seinen Puls und Atem schneller gehen, seine Haut kalt werden und die Haare aufstellen. Die Muskeln zucken in Erwartung der nächsten Bewegung. Die Sinne sind geschärft.
Der Höhlenmensch wirft einen Stein (Kampfreflex), dann springt er rasch in eine Vertiefung (Fluchtreflex) und läuft, so schnell er kann, angetrieben von einem Energieschub, den die sofortige Entleerung der Energiespeicher, der Glukosevorräte in Leber und Muskulatur, bewirkt. Mit dem Anstieg des Blutzuckerspiegels steigt auch der Spiegel des Cortisols, des wichtigsten Stresshormons, im Blut, es unterstützt den anfänglichen Adrenalinanstieg und erlaubt eine längere Reaktion auf die Gefahr. Cortisol wirkt stärker und länger als Adrenalin, mit tiefgreifenden Auswirkungen auf der Zellebene.
Genau in diesem Moment ist die Bedrohung vorüber. Der Tiger
verfolgt den Mann nicht länger, ein vorbeilaufendes Kaninchen war leichter zu erwischen. Ein Seufzer der Erleichterung - die Gefahr ist vorbei, die Höhle in Sicht. Das Alarmsystem des Urmenschen schaltet sich ab. Die Stresshormone stabilisieren seinen Körper, bevor die Produktion eingestellt wird und auf Normalwert zurückgeht. Der Mechanismus hat sich bewährt, er hat ein Überleben angesichts der Gefahr möglich gemacht, nun geht das Leben normal weiter, ohne schädliche Auswirkungen, wenn man von einem leicht angeschlagenen Steinzeit-Ego absieht!
Nun viele Tausend Jahre später sitzt der »Stadtmensch«, müde nach einer schlaflosen Nacht, gezeichnet von dem, was er als ersten Stress des Tages betrachtet - ob er zur Präsentation des Unternehmenszusammenschlusses den Armani- oder Prada-Anzug tragen soll - im Auto, mitten zur Stoßzeit, 15 Minuten über der Zeit. Das Handy klingelt. Es ist der Chef, der ihn wissen lässt, dass er gleich ganz wegbleiben kann, wenn er zu spät kommt. Niemand da, gegen den unser Stadtmensch kämpfen kann, keine Möglichkeit zu fliehen. Als er auflegt, schüttet er seinen Kaffee über die Präsentationsunterlagen auf dem Beifahrersitz. Der Verkehr steht weiterhin. Auch wenn all das nicht annähernd so gefährlich ist wie der Säbelzahntiger, empfindet unser Stadtmensch die Situation als Bedrohung, sein Gehirn ist darauf programmiert, solche Situationen als »stressig« zu interpretieren.
Pech für den Stadtmenschen, dass die primitiven Strukturen unseres Gehirns und die von ihnen produzierten Hormone sich seit den Tagen des Lendenschurzes kaum verändert haben. Sobald die Kampf-Flucht-Reaktion einsetzt, beginnt die Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol, Puls, Blutdruck und Atemfrequenz steigen an. Bedauerlicherweise geht die Stresssituation
für den Stadtmenschen nicht so rasch vorüber wie für den Steinzeitmenschen, und wenn, dann wird sie schnell von einer neuen abgelöst. Diese chronische Stimulation der Stressreaktion führt zu vermehrtem Hunger, zu Heißhungerattacken und Gewichtszunahme.
Stress begünstigt Gewichtszunahme und Heißhunger
Die chronische Stimulation der Stressreaktion führt zu Störungen des Hormonhaushalts und des Stoffwechsels, die sich negativ auf alle Systeme im Körper auswirken und eine übermäßige Gewichtszunahme nach sich ziehen. Vor allem begünstigt chronischer Stress die Gewichtszunahme um die Körpermitte, an und im Bauch, das heißt die Fettablagerungen um die inneren Organe. Und diese Fettverteilung ist nicht nur unerwünscht, sondern auch mit ernsten gesundheitlichen Problemen verbunden, wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Außerdem manipuliert Stress die Hunger- und Sättigungsbotenstoffe, was zu vermehrtem Appetit führt. Er lässt uns zu »tröstenden« Nahrungsmitteln mit reichlich Zucker und Fett greifen in einem Versuch, unsere flatternden Nerven zu besänftigen, und hält den Körper dann an, die zusätzlichen Kalorien als Fett am Bauch zu speichern. Kurz gesagt, Stress
▶ stimuliert das Hungerzentrum,
▶ destabilisiert den Blutzucker und fördert Heißhunger,
▶ macht uns unempfindlich für Anti-Hunger-Botenstoffe,
▶ erhöht die Ausschüttung der Hungerhormone,
▶ reduziert den Spiegel unseres »Glückshormons« Serotonin, was den Heißhunger begünstigt.
Sind Sie gestresst?
Manche Menschen scheinen mit Stress besser umzugehen als andere, warum, das weiß man nicht
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