Heisskalte Glut
wie eine Stunde erschienen war. Sie
konnte sich nicht erinnern, geschlafen zu haben, auch nicht, als sie in Baton
Rouge angekommen waren. Sie hatte mit brennenden Augen dagesessen, ins Leere
gestarrt und dabei Scotties warmen Körper auf ihrem Schoß gespürt.
In der frühen Morgendämmerung hatte die
Polizei sie aus der städtischen Anlage vertrieben, in der sie geparkt hatten.
Ihre schäbige kleine Karawane hatte sich erneut in Bewegung gesetzt. Erst in
Beaumont, Texas, hielten sie wieder an. Amos mietete im schlimmsten Viertel der
Stadt ein Hotelzimmer, in dem alle sechs Platz finden mußten. Immerhin hatten
sie wieder ein Dach über dem Kopf.
Eine Woche später war Amos genauso verschwunden, wie kurz zuvor
Renee verschwunden war. Amos aber hatte immerhin seine Kleidung mitgenommen.
Nicky und Russ investierten daraufhin ihr weniges Bargeld in Bier und betranken
sich. Wenig später war auch Russ verschwunden.
Nicky hatte es immerhin auf einen Versuch ankommen lassen. Das
mußte man ihm zugute halten. Er war erst achtzehn, nahm aber, als er plötzlich
für drei jüngere Familienmitglieder sorgen mußte, alle möglichen
Gelegenheitsjobs an. Jodie trug ihrerseits bei, indem sie als Aushilfe in einem
Schnellrestaurant arbeitete. Aber selbst mit ihrer Hilfe reichte es vorne und
hinten nicht. Schon bald bekamen sie Besuch von der Sozialfürsorge. Jodie,
Faith und Scottie kamen in ein staatliches Heim. Nicky protestierte zwar ein
wenig, aber Faith wußte, daß er im Grun de seines Herzens erleichtert war.
Seither hatte sie ihn nicht wieder gesehen.
Adoption stand nicht zur Debatte: Faith und Jodie waren zu alt,
und Scottie wollte niemand haben. Sie hatten gehofft, alle drei bei einer Familie
unterzukommen, wo Faith sich weiter um Scottie kümmern konnte. Diese Hoffnung
erfüllte sich zwar nicht, aber die Alternative war durchaus akzeptabel. Jodie
kam in einem Pflegehaushalt unter, Faith und Scottie in einem anderen. Faith
mußte Scotties Pflege zwar voll und ganz übernehmen, aber daran war sie
bereits gewöhnt, und so fiel es ihr nicht weiter schwer. Das war die Bedingung
gewesen, unter der man sie zusammengelassen hatte. Und Faith setzte alles
daran, ihr Versprechen zu halten.
Jodie blieb nie lange bei einer
Pflegefamilie. Zweimal wurde sie versetzt. Faith dagegen hatte Glück mit ihren
Pflegeeltern. Die Greshams besaßen selbst nicht viel, aber das wenige, was
ihnen gehörte, teilten sie gerne mit ihren Pflegekindern. Zum ersten Mal erlebte
Faith, wie anständige Leute lebten. Sie sog es auf wie ein Schwamm. Jeden Tag
genoß sie es wieder, von der Schule in ein sauberes Haus zurückzukehren, in dem
es nach Essen duftete. Ihre Kleidung war zwar nicht teuer, aber so schön und
elegant, wie es ihr die Greshams von dem Pflegegeld erlauben konnten. In der
Schule wurde sie von niemandem als verlumpte Devlin geächtet. Sie lernte das
Leben in einem Hause kennen, in dem die Erwachsenen sich liebten und achteten.
Scottie wurde verwöhnt. Sie kauften ihm neues
Spielzeug. Aber es dauerte nicht lange, bis er dramatisch abzubauen begann.
Für Faith war die Freundlichkeit und Liebe, die man Scottie in der wenigen, ihm
noch verbleibenden Zeit entgegenbrachte, jedes Opfer wert. Für eine kurze Zeit
durfte er glücklich sein. Das Weihnachten nach Renees Verschwinden hatte ihn
vor Freude vollkommen trunken gemacht. Stundenlang hatte er dagesessen, zu müde
zum Spielen, und zufrieden in die glitzernden Lichter des Weihnachtsbaumes gestarrt. Im Januar war
er im Schlaf gestorben. Faith hatte seinen Tod kommen sehen und die Nächte an
seinem Bett verbracht. Irgend etwas, vielleicht war es sein veränderter Atem
gewesen, hatte sie geweckt. Sie hatte seine kleinen, pummeligen Hände genommen
und sie festgehalten. Er atmete immer langsamer und langsamer, bis er
schließlich ganz sanft zu atmen aufhörte. Sie hatte seine Hand noch so lange
gehalten, bis die beginnende Kälte darin zu spüren war. Dann erst hatte sie die
Greshams geweckt.
Fast vier Jahre hatte sie mit den freundlichen Greshams verbracht.
Jodie hatte die Schule abgeschlossen, unmittelbar danach geheiratet und war in
die Großstadt Houston gezogen. Faith war nun wirklich vollkommen allein, ihre
gesamte Familie war fortgezogen. Sie konzentrierte sich ganz auf die Schule
und ignorierte die Jungen, die sich ständig mit ihr verabreden wollten. Sie war
viel zu betäubt, viel zu sehr traumatisiert gewesen, um sich in das wilde
Teenagerleben zu stürzen. Die Greshams hatten ihr
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