Heisskalte Glut
fragte Renee
gelangweilt. »Jodie hat mir bereits diese verrückte Geschichte erzählt, ich sei
mit Guy Rouillard durchgebrannt. Das war mir neu. Ich hatte es einfach satt,
von Amos geschlagen zu werden und in diesem Dreckloch zu leben. Guy Rouillard
wäre der letzte gewesen, der dagegen etwas unternommen hätte. Deshalb bin ich
abgehauen, nach Shreveport gefahren und habe mich bei Mama einquartiert. Deine
Tante Wilma lebte hier in Jackson, also sind wir nach ungefähr einem Monat auch
hierhergezogen. Guy Rouillard habe ich niemals wiedergesehen.«
Faith hatte Mühe gehabt, das alles so schnell
zu verstehen. Zu viele Gedanken jagten ihr durch den Kopf. Jodie hatte Renee
offenbar gefunden, aber weder sie noch ihre Mutter hatten sich die Mühe
gemacht, mit Faith Kontakt aufzunehmen. Renee hätte ihre zwei Jüngsten aus der
Fürsorge nehmen können, ihr aber war es nur entgegengekommen, sie dort zu
belassen. Nach Scottie hatte sie sich noch nicht einmal erkundigt.
Und dann gab es da das Geheimnis um Guy
Rouillard. Vielleicht war er ja nicht mit Renee zusammen verschwunden, aber
verschwunden war er, wenn auch möglicherweise nicht für lange. Sein Fortgehen
jedoch hatte ihr ganzes Leben verändert. Verwirrt und neugierig zugleich hatte
sich Faith entschieden, die Wahrheit herauszufinden. Als Vierzehnjährige war
sie buchstäblich wie ein Stück Dreck auf die Straße geworfen worden. Mit dieser
Wunde hatte sie seitdem leben müssen. Sie wollte wissen, was wirklich geschehen
war, um sich ganz ihrer Zukunft zuwenden zu können.
Nun saß sie also in Erinnerungen versunken vor dem Ratsgebäude in
Prescott und vertrödelte ihre Zeit. Es würde sich leicht herausfinden lassen,
wo Guy Rouillard an jenem Tag vor zwölf Jahren gewesen war. An jenem
entscheidenden Tag, der ihr ganzes Leben verändert hatte.
Erst aber mußte sie sich eine Unterkunft für
die Nacht suchen. Heute morgen war sie nach Baton Rouge geflogen, hatte dort
einen Geschäftstermin wahrgenommen, sich anschließend einen Wagen gemietet und
war nach Prescott gefahren. Jetzt war es später Nachmittag, und sie war müde.
Ihre Erkundigungen hier würden nicht sehr lange dauern, aber sie wollte nicht
noch bis nach Baton Rouge zurückfahren.
Vor zwölf Jahren hatte es im östlichen Stadtteil Richtung Autobahn
ein etwas schäbiges Motel gegeben, das möglicherweise gar nicht mehr
existierte.
Sie kurbelte das Fenster herunter und sprach eine Frau an:
»Entschuldigen Sie, gibt es hier in der Stadt ein Motel?«
Die Frau trat auf das Auto zu. Sie war Mitte Vierzig und kam Faith
irgendwie bekannt vor, ohne daß sie ihren Namen hätte nennen können. »Aber ja«,
erwiderte die Frau und zeigte mit dem Finger. »Dort hinten biegen Sie nach
rechts ab. Dann sind es noch ungefähr anderthalb Meilen.«
Das klang ganz nach dem alten Motel. Faith lächelte. »Vielen
Dank.«
»Keine Ursache«, erwiderte die Frau, nickte
und ging weiter. Faith fuhr rückwärts aus der Parklücke und manövrierte das
kleine Auto in den Verkehr hinein. Prescott war heute kein bißchen lebendiger
als vor zwölf Jahren. Zwei Minuten später hatte sie das Motel erreicht. Es
stand zwar an genau demselben Ort, aber es war nicht dasselbe Motel. Dieses
hier war nicht älter als zwei Jahre und sehr viel größer. Es war zwar nur
einstöckig, jedoch um einen Hof herum gebaut, in dessen Mitte ein Brunnen
sprudelte und Blumenbeete angelegt waren. Einen Swimmingpool hatte es nicht zu
bieten, was Faith aber nicht weiter störte. Ein Brunnen war viel charmanter.
Der Empfangschef war Mitte Fünfzig, und sein
Namensschild wies ihn als Reuben Odell aus. Eine seiner Töchter war mit Faith
in einer Klasse gewesen. Er fuhr mit dem Gespräch fort, während er Faiths
Kreditkarte entgegennahm. Er schaute neugierig auf den Namen 'Faith D. Hardy',
der jedoch keinerlei Assoziationen bei ihm auszulösen schien. Faith war zwar
kein sehr häufiger Vorname, aber vermutlich hatte er seinerzeit ihren Vornamen
überhaupt nicht gekannt.
»Ich gebe Ihnen die Nummer zwölf«, sagte er und nahm den Schlüssel
vom Haken. »Das Zimmer liegt ganz hinten im Innenhof und so weit von der Straße
entfernt, daß der Lärm Sie nicht belästigen wird.«
»Vielen Dank.« Faith lächelte und setzte die Sonnenbrille zum
Unterschreiben der Rechnung ab. Sein Gesichtsausdruck wurde von Minute zu
Minute herzlicher.
Sie parkte das Auto vor Nummer zwölf. Als sie
die Tür öffnete, war sie angenehm überrascht. Das Zimmer war geräumiger, als
sie
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