Heisskaltes Verlangen: Team Zero 02
neben ihr auf einem weißen Stuhl saß und sie unergründlich anlächelte. Der Mann auf dem Bild in Neds Zimmer. Der Mann, über den Ray herausgefunden hatte, dass er tot war. Wie viele dieser toten Lebendigen gab es eigentlich? Zu ihren Kopfschmerzen war sie nun auch noch wütend.Letzteres war wenigstens vorteilhaft, denn Wut hielt sie aufrecht.
„Wir können die Möbel jederzeit durch andere ersetzen“, sagte der Mann mit schneidender Stimme und machte das nette Anbot zur Drohung.
Er wirkte anders als auf Neds Bild. Älter und verbrauchter. Mit unzähligen Falten und grauem Haar. Er trug auch jetzt eine Uniform. Deshalb hatte sie ihn trotz der äußerlichen Veränderung erkannt. Wie auf dem Bild verbarg sich in seinem Antlitz auch in natura etwas Dunkles, Furchterregendes.
„Wer sind Sie?“
Sein Lächeln wurde geheimnisvoller. „Gibt es denn keine Gemeinsamkeiten?“
„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“
„Cassandra, mein Schatz. Sieh doch hin.“
Sie sah ihn an. Lange. Bis ihr seine Augenfarbe auffiel, die, genau wie ihre, aussah, wie der Inhalt einer Whiskeyflasche. Dann diese Lippen. Die untere voller als die obere. Die kleinen Ohren …
Sie begann, ihren schmerzenden Kopf zu schütteln. Immer bestimmter. Nein, nein, das konnte nicht wahr sein!
„Doch, Cassandra. Ich bin dein Vater.“
„Nein.“
„Kennst du ihn? Weißt du etwas über ihn?“, fuhr er sie streng an.
„Nein“, wisperte sie bestürzt ob der Tatsache, tatsächlich nichts über ihren Vater zu wissen.
Grob griff er nach ihrem Arm und deutete auf ihre Armbeuge. „Ich wusste es bereits. Der Bluttest hat auch die letzten Zweifel ausgeräumt.“
Sie entzog sich ihm. Wollte jeglichen Körperkontakt unterbinden und rutschte am Bett weiter von ihm weg.
„Aber Ned …“
„War dein Bruder.“
Sie schnappte nach Luft. „Das kann nicht sein. Nein, das ist überhaupt nicht möglich.“
„Weil er älter war als du?“ Er schnalzte mit der Zunge. „Ihr hattet nicht dieselbe Mutter. Neds war für mich nur eine kurzweilige Affäre und deine eine heroinsüchtige Schlampe.“
Jedes Wort war eine neue Gletscherspalte. Kalt. Unbarmherzig. Es schmerzte. Sie hielt die Luft an, bis sie nicht mehr konnte und wieder einatmen musste. „Nein.“
„Ich habe mir immer ein Mädchen gewünscht, Cassandra. Du bist perfekt. Und Ned war kein guter Junge. Hat seinen Eltern immer Probleme bereitet. Du weißt ja, wovon ich spreche.“
Von seiner Krankheit, die keine war, sondern eine Gabe.
„Er ist nicht bei dir aufgewachsen?“, fragte sie, wohl wissend, wie es war.
„Nein. Wie gesagt, er war kein guter Junge und seine Mutter nur eine Affäre. Sie hat einen anderen Mann geheiratet. Gott segne sie.“
Dieser Kerl war nicht richtig im Kopf. Ein bekloppter Psycho. Halleluja.
Und ihre Mutter? Heroinsüchtig? In ihrem Hirn begann sich alles zu drehen. Das waren zu viele Informationen. Sie fragte sich, wie in aller Welt sie bei solchen Genen normal sein konnte, während der Druck in ihrem Kopf kosmische Ausmaße annahm. Da dämmerte es ihr. „Ned ist tot … getötet durch die Hand seines eigenen Vaters.“ Da war sie wieder, die Wut, die sie mutiger machte, als sie tatsächlich war. Aber unter seinem Blick begann dieser Mut sofort wieder zu schrumpfen.
„In einem Krieg gibt es immer Verluste.“
Angewidert sah sie den alten Mann an. Hin- und hergerissen zwischen Verzweiflung und Abscheu und dem Drang, sich unter der Bettdecke zu verkriechen und so zu tun, als sei das nur das Ende eines grässlichen Films. Er hatte Ned getötet. Nicht er selbst, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Ned durch ihn den Tod gefunden hatte.
„Lebt meine …“ Sie konnte das Wort nicht in den Mund nehmen. Es zu denken war schon Qual genug.
„Deine Mutter? Sie hat dich ausgetragen, dafür habe ich ihr eine nimmer versiegende Heroinquelle versprochen und derweil für Ersatz gesorgt. Und wie ich sehe, hast du dich trotz allem prächtig entwickelt.“
Ihre Mutter war abhängig und er hatte diese Abhängigkeit ausgenutzt? Er war schon immer ein Schwein gewesen.
„Lebt sie noch?“
Er lächelte. „Nein.“
„Wegen der Drogen?“
„Nein.“ Seine Mimik wurde bitter. „Sie hat dich ausgesetzt. Sie wollte mir eins auswischen. Und sie hat mir nicht gesagt, wo sie dich hingebracht hat.“
Dafür hatte er sie umgebracht. Er musste es nicht sagen, sie wusste es auch so. „Neunundzwanzig Jahre habe ich nach dir gesucht.“
„Schade, dass du mich
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