Heiter weiter
aussteigen, auf jeden Fall neu starten. All das ist allemal besser als ein drittes Leben ohne Aktivitäten auf der Couch und vor dem Fernsehapparat. Da werden Sie schnell alt und krank. Das will doch keiner, oder?
Der alte Arbeitsplatz ist tabu!
Es gibt ein böses Sprichwort: Nie wird mehr gelogen als bei Verabschiedungen oder Beerdigungen. Und wie immer bei Sprichwörtern – ist da was Wahres dran.
Sollten Sie Ihre Verabschiedung noch vor sich haben, dann blättern Sie einfach weiter und lesen die folgenden Seiten erst, wenn Sie »draußen« sind. Für alle anderen dies zuerst: Sie sollten im ersten Jahr nach dem Ausscheiden aus Ihrem festen Job um Ihr altes Büro, um die alten Kolleginnen und Kollegen einen großen Bogen machen. Denn so lieb und herzlich die Worte »Wir freuen uns jederzeit, wenn Sie mal reinschauen« oder »Wir sind immer für Sie da, kommen Sie jederzeit vorbei« gemeint sein mögen. Sie sind nicht wahr. Sie sind eine fromme Lüge.
Vielleicht erinnern Sie sich auch selbst an alte Kolleginnen und Kollegen, die dann »einfach mal so« vorbeigeschaut haben. Immer dann, wenn die Termine besonders eng waren, wenn sich der Schreibtisch unter den Unterlagen nur so bog oder der Vorgesetzte gerade dringend auf einen Rückruf wartete. Unhöflich will man in einer solchen Situation ja auch nicht sein. Unterbewusst denken wir vielleicht: »Uns geht es auch bald so.« Aber trotzdem: Die Zeit drängt. Und wir fühlen uns nicht wohl, wenn wir jemanden trotz Zeitmangel auf eine Tasse Kaffee bitten, uns dazusetzen und denken: »Oh mein Gott, der (oder die) schon wieder …«
Sicher, es kommt auch vor, dass wir am Arbeitsplatz wirklich gute Freundschaften schließen. Die halten aber so ein erstes Jahr ohne Besuche beim alten Arbeitgeber auch gut aus. Treffen Sie sich einfach außerhalb. Im Umkreis des Jobs, aber eben nicht in den alten Gängen. Und noch etwas: Ihre Nachfolgerin, Ihr Nachfolger sollte auf alle Fälle ein Jahr Zeit und Muße haben, sich neu zu organisieren. Sie oder er wird es anders machen. Nicht besser, hoffentlich auch nicht schlechter, aber eben einfach ganz anders. Da werden einige in neue Jobs wechseln müssen (kein Mitleid, Sie haben es bei Ihrem Start auch nicht anders gemacht!). Andere steigen auf, wieder andere gehen beleidigt in die innere Emigration. Das ist normal, das passiert, wenn einer ausscheidet und ein Neuer kommt.
Sie werden auch erleben, dass Sie eine Zeitung durchlesen und das Gefühl haben: Da gehöre ich ja gar nicht mehr dazu. Die sind alle aktiv, mittendrin. Die auf den Fotos, deren Namen Sie in den Überschriften lesen. Sie
dagegen sind draußen, gefühlt. Dafür können Sie sich beim Zeitunglesen inzwischen Zeit lassen. Ihren Kaffee dazu schlürfen und hin und wieder aus dem Fenster gucken. Erinnern Sie sich lieber noch an Ihren Blick auf die Uhr, wenn Sie auf der Fahrt in Ihr Büro mal wieder fünf oder zehn Minuten zu spät dran waren. Die alten Kolleginnen und Kollegen stecken gerade jetzt im Stau – und Sie genießen einen Milchkaffee. Lebensqualität. Man muss sich das im dritten Leben auch mal wieder so richtig bewusst machen. Nicht zurücksehen. Vorne spielt jetzt Ihre Musik.
Machen Sie ja nicht den Fehler und melden sich bei Ihrem alten obersten Boss an. Er wird Ihnen höflich einen Termin geben … aber wirklich Zeit hat sie oder er nicht. Wenn Sie dann doch dort sitzen: Reden Sie nicht über das, was Ihnen Kolleginnen und Kollegen so alles von der neuen Ära erzählt haben. Halten Sie um Himmels willen darüber den Mund. Es geht Sie nichts mehr an. Bedenken Sie dabei auch immer: Jeder Personalwechsel ist auch ein Wechsel für Ihren Boss. Die neuen Personalien sind mit ihr oder mit ihm abgesegnet. Sie oder er wird den Teufel tun, darüber mit Ihnen zu reden. Halten Sie sich raus, es ist vorbei. Und verkneifen Sie sich jeden Kommentar, wenn Ihnen alte Kolleginnen und Kollegen sagen, dass es mit Ihnen besser war. Das ist nett gemeint, vielleicht stimmt es sogar. Aber erinnern Sie sich auch: Die Chemie zwischen Menschen ist nie gleich. Nie werden sich alle gleich gut verstehen. Wenn Sie im Rückblick auf Ihre beruflich fest angestellten Jahre sagen können: Es war eine gute Zeit – dann ist das doch schon sehr viel.
Jetzt heißt es: nach vorne gucken. Und vielleicht nach einem Anstandsjahr mit einem Kuchen vorbeikommen. Vorangemeldet, versteht sich. Und nicht von der »guten alten Zeit« reden. Erzählen Sie lieber von Ihrem neuen dritten Leben. Das
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