Held von Garathorm
krächzte Hawkmoon. „Ich bin der gegenwärtige Hüter von Burg Brass."
Die Gestalt drehte sich um. Kühle graue Augen musterten Hawkmoon von oben bis untern. Ihr Gesicht verriet keinen Schock, ja war absolut unbewegt, als sie auf ihn zutrat und ihm die Hand entgegenstreckte.
Es war im Gegenteil nun Hawkmoons Gesicht, das Überraschung verriet.
Denn sein Besucher, der in einer eisernen Rüstung steckte, war eine Frau von mittleren Jahren.
„Herzog Dorian?" sagte sie. „Ich bin Katinka van Bak. Ich bin seit vielen Nächten unterwegs."
4.
NEUIGKEITEN VON HINTER DEN BULGARBERGEN
„Ich bin in dem jetzt von der See bedeckten Holland geboren", erklärte Katinka van Bak. „Meine Eltern waren allerdings Kaufleute aus Moskovia. In den Kämpfen zwischen unserem Land und den Belgischen Staaten wurden Vater und Mutter getötet und ich gefangengenommen. Eine Weile diente ich im Gefolge des Prinzen von Berlin. Er hatte die Belgier in ihrem Krieg unterstützt, und ich gehörte zu seinem Beutegut." Sie hielt inne, um sich noch eine Scheibe kalten Bratens auf ihren Teller zu legen. Ihre Rüstung hatte sie abgelegt und trug nun ein einfaches Seidenhemd und eine blaue Baumwollkniehose. Und obgleich sie ihre Ellbogen auf den Tisch stützte und sich ungezwungen und ganz unladylike benahm, war sie doch nicht unfeminin, und Hawkmoon stellte bald fest, daß sie ihm sehr gefiel.
„Ich verbrachte fast die ganze Zeit mit Kriegern, und so erwuchs in mir bald das Bedürfnis, es ihnen gleichzutun. Es machte ihnen Spaß, mir beizubringen, mit Schwert und Bogen umzugehen, und sie amüsierten sich, wenn ich mich absichtlich selbst dann noch dumm stellte, als ich schon lange gut damit umzugehen verstand. Dadurch erweckte ich ihren Argwohn nicht, was meine Pläne betraf."
„Ihr beabsichtigtet zu fliehen?"
„Ein wenig mehr als das." Katinka van Bak lächelte und wischte sich über die Lippen. „Der Zeitpunkt kam, da Prinz Lobkowitz von meiner Exzentrizität erfuhr. Ich erinnere mich an sein Gelächter, als man ihn zu dem Platz außerhalb der Mädchenunterkünfte führte. Der Soldat, der mich besonders protegiert hatte, reichte mir ein Schwert, und er und ich führten einen Zweikampf vor, um dem Prinzen zu zeigen, auf welch charmante, wenn auch vielleicht nicht sehr gekonnte Weise ich focht. Prinz Lobkowitz amüsierte sich sichtlich. Er erklärte, er habe an diesem Abend Gäste geladen, und es wäre doch eine großartige Idee, wenn ich statt der üblichen Jongleure und Gaukler auftrat. Das paßte mir wunderbar in den Kram. Ich klimperte mit den Wimpern und lächelte verlegen, und tat, als wäre ich überglücklich über solche Ehre und als ob ich nicht wüßte, daß alle über mich lachten."
Hawkmoon versuchte, sich Katinka van Bak in der Rolle einer Naiven vorzustellen, aber das war zuviel für seine Phantasie. „Und was geschah?" Er war ehrlich gespannt. Zum erstenmal seit Monaten lenkte ihn etwas von seinen eigenen Problemen ab. Er stützte sein bartstoppeliges Kinn auf eine schmutzige Hand, als Katinka van Bak fortfuhr.
„Nun, an diesem Abend wurde ich den Gästen vorgestellt, die mir lächelnd zusahen, wie ich nacheinander gegen mehrere von Prinz Lobkowitzs Krieger kämpfte. Sie aßen tüchtig, während sie zusahen, und tranken noch mehr. Verschiedene Gäste boten dem Prinzen hohe Summen für mich. Doch das hob natürlich nur seinen Besitzerstolz, und er lehnte alle Angebote ab. Ich erinnere mich noch, wie er mir zurief:
,Und nun, kleine Katinka, welche weiteren kriegerische Künste beherrschst du? Was wirst du uns als nächstes bieten?'
Ich hielt den richtigen Augenblick für gekommen. Ich machte einen hübschen Knicks und erwiderte mit scheinbar naiver Kühnheit:
,Ich habe gehört, daß Ihr einer der besten Schwertkämpfer seid, Eure Hoheit. Der beste in der ganzen Provinz Berlin.'
,Das sagt man wohl', erwiderte Lobkowitz. ,Würdet Ihr mir die Ehre erweisen, die Klingen mit mir zu kreuzen, mein Lord? Damit ich meine Geschicklichkeit gegen den besten Kämpfer in diesem Saal unter Beweis stellen kann?'
Prinz Lobkowitz war verständlicherweise ziemlich verblüfft, doch dann lachte er. Er konnte vor seinen Gästen schlecht nein sagen, und damit hatte ich gerechnet. Also entschloß er sich, mir die Freude zu machen, aber er sagte ernst:
,In Berlin haben wir unterschiedliche Regeln für die verschiedenen Arten von Zweikampf. Wir fechten um den ersten Stich, den ersten Schnitt auf der linken Wange, dann den ersten auf der
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