Held von Garathorm
Frauen wirkten grimmig, als sie ins Feuer starrten und zusahen, wie Pyrans prachtvolles Haus niederbrannte und die Nacht erhellte. Der Geruch dieses gewaltigen Scheiterhaufens reizte ihre Nasen, und sie hörten die grauenvollen Schreie, die aus dem dicken schwarzen Rauch drangen.
„Es ist nur gerecht", sagte Ilian von Garathorm.
„Aber es gibt andere Formen von Gerechtigkeit", erwiderte Katinka van Bak leise. „Ihr könnt die Schuld, die Euch quält, nicht ausbrennen."
„Kann ich das nicht, Madam?" Ilian lachte rauh. „Wie erklärt Ihr Euch dann die Befriedigung, die mich dabei erfüllt?"
„Ich bin Derartiges nicht gewöhnt", murmelte Katinka van Bak. Ihre Worte galten allein Ilians Ohren. Nur zögernd fuhr sie fort: „Ich bin nicht zum erstenmal Zeuge solcher Racheakte, aber mir gefällt dieses Gefühl der Unruhe nicht, das ich dabei empfinde. Ihr seid grausam geworden, Ilian."
„Das ist das Schicksal des Ewigen Helden", warf Jhary ein, dem die leisen Worte nicht entgangen waren. „Es ist stets so. Laßt es Euch nicht betrüben, Katinka van Bak. Der Held muß immer versuchen, sich von einer quälenden Bürde zu befreien. Eines der Mittel dazu ist die gewollte Grausamkeit - eine Handlung, die dem Gewissen des Heldens entgegenwirkt. Ilian glaubt, sie trägt nur die Schuld des Verrats an ihrem Bruder. Aber das ist nicht so. Es ist eine Schuld, wie Ihr, Katinka van Bak, und ich, sie nie kennen werden. Und dafür sollten wir unseren Göttern danken!"
Ilian schauderte. Sie hatte Jharys Worte nur halb verstanden, aber ihre Bedeutung beunruhigte sie.
Schulterzuckend wandte Katinka van Bak sich um. „Wie Ihr glaubt, Jhary. Ihr wißt mehr von solchen Dingen als ich. Und es gäbe ohne Euer Wissen überhaupt keine Ilian, die gegen Ymryl kämpfen könnte." Schweren Herzens stapfte sie davon und verschwand in den Schatten des dichten Rauches.
Jhary blieb eine Weile neben Ilian stehen, dann verließ auch er sie und starrte abseits in die flammenden Ruinen ihres früheren Zuhauses.
Die Schreie erstarben, und der Gestank verkohlenden Fleisches wurde von dem würzigen Duft reifen Holzes überlagert. Ilian fühlte sich völlig ausgelaugt, als stecke kein eigenes Leben mehr in ihr. Und als die Flammen langsam niederbrannten, trat sie näher heran, als suche sie ihre Wärme, denn sie empfand eine ungeheure Kälte, obgleich die Nacht lau war.
Als Jhary sie fand, war es schon fast Morgen. Sie stapfte durch die geschwärzten Gebeine, die noch glühenden Holzreste und die heiße Asche, und hin und wieder stieß sie einen verkohlten Schädel oder ein paar Knochen zur Seite.
„Neuigkeiten!" rief Jhary.
Sie blickte aus stumpfen Augen zu ihm hoch.
„Ymryl hat seinen Feldzug siegreich beendet. Er hat Arnald getötet und erfahren, was hier geschehen ist. Er befindet sich bereits auf dem Rückmarsch."
Ilian zog tief die beißend rauchige Luft ein. „Dann müssen wir unsere Vorbereitungen treffen."
„Mit nur noch der Hälfte unserer ohnehin kleinen Streitmacht dürften wir einen harten Stand gegen Ymryls Armee haben. Er verfügt nun auch noch über Arnalds Truppen, beziehungsweise über das, was davon übriggeblieben ist. Wir werden zumindest tausend Mann gegen uns haben! Vielleicht wäre es besser, wir kehrten auf die Bäume zurück und führten einen Partisanenkrieg gegen sie."
„Wir werden nach unserem ursprünglichen Plan vorgehen", sagte Ilian hart.
Jhary-a-Conel zuckte die Schultern. „Wie Ihr meint."
„Wurden Ymryls Flammenkanonen gefunden?"
„Ja. Sie waren in dem Keller einer Kelterei westlich von hier untergebracht. Katinka van Bak sorgte dafür, daß sie noch während der Nacht in einem Verteidigungsring in Stellung gebracht wurden. Weitere sind so postiert, daß sie alle Straßen zum Stadtplatz unter Beschuß nehmen können. Es ist gut, daß wir sofort handelten. Ich persönlich rechnete nicht so schnell mit Ymryls Rückkehr."
Ilian watete durch die Asche. „Katinka van Bak ist ein erfahrener Heerführer."
„Das ist unser Glück", brummte Jhary.
Kurz nach Mittag berichteten die Kundschafter, daß Ymryl eine ähnliche Taktik anwandte, wie Ilian sie benutzt hatte. Er schloß einen Ring um die ganze Stadt. Ilian hoffte, daß Ymryls Späher die hastig getarnten Flammenkanonen nicht entdeckt hatten. Die Hälfte ihrer kleinen Streitmacht hatte sie an diese Kanonen abkommandiert, nachdem Katinka ihnen ihre Bedienung beigebracht hatte.
Die anderen postierte sie gut versteckt anderswo.
Etwa eine Stunde
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