Heldenklingen
Die Straßen. Das Gelände, auf dem die Schlacht stattfand. Die unziemliche Hast.«
»Dennoch habe ich versagt.« Jalenhorm zog seinen Degen und streckte ihn Kroy hin. »Ich bitte untertänigst darum, meines Postens enthoben zu werden.«
»Das würde der König nicht gestatten. Und auch ich nehme Ihr Gesuch nicht an.«
Jalenhorm ließ den Degen sinken; die Spitze schrammte durch den Dreck. »Natürlich, Herr Marschall. Ich hätte mehr Kundschafter in den Wald schicken sollen …«
»Das hätten Sie. Aber Sie hatten den Befehl, nach Norden zu drängen und Feindberührung zu suchen.« Kroy sah sich langsam um und erfasste das Durcheinander im Dorf, das die Fackeln erleuchteten, mit grimmigem Blick. »Sie hatten Feindberührung. Wir sind im Krieg. Da kommt es zu Fehlern, und wenn das geschieht … dann stets zu einem sehr hohen Preis. Aber wir sind noch nicht fertig. Wir haben noch nicht einmal angefangen. Sie werden den heutigen Abend und den morgigen Tag hinter der Furt lagern, wo Oberst Gorst heute Nachmittag so unheldenhaft gekämpft hat. Sie werden Ihre Truppen wieder zusammenziehen, Ihre Division mit frischen Nahrungsmitteln und Waffen versorgen, sich um die Verwundeten kümmern, die Moral verbessern und«, hier betrachtete er noch einmal missbilligend das so ganz und gar nicht militärisch geordnete Umfeld, » Disziplin einfordern.«
»Jawohl, Herr Marschall.«
»Ich werde mein Hauptquartier auf dem Hang der Schwarzen Höhe aufschlagen, von wo aus wir morgen eine gute Aussicht über das Schlachtfeld haben sollten. Eine Niederlage ist stets sehr schmerzvoll, aber ich habe das Gefühl, als würden Sie im Verlauf dieser Schlacht durchaus noch einmal Gelegenheit bekommen, sich im Kampf hervorzutun.«
Jalenhorm richtete sich ein wenig auf, und nun, da er ein klar definiertes Ziel vor Augen hatte, kehrte etwas von seiner sonst so markigen Natur zurück. »Meine Division wird übermorgen einsatzbereit sein, darauf können Sie sich verlassen, Herr Marschall!«
»Gut.« Damit wandte Kroy sich um und ritt davon, und seine unbezwingbare Aura verschwand mit ihm und seinem Stab in der Nacht. Jalenhorm hatte zum Abschied salutiert und schien in seinem Gruß erstarrt zu sein, als der Marschall davontrabte, aber Gorst sah sich nach ein paar Schritten noch einmal um.
Der General stand noch immer am Weg, allein und leicht nach vorn gebeugt, während der Regen allmählich stärker wurde und weiße Striche durch das zischende Fackellicht zog.
GERECHTE BEHANDLUNG
S ie kamen auf der Straße nach Osrung so schnell voran, wie Fluts Hinken es zuließ. Also nicht besonders schnell. Refts Fackel war im Nieselregen das einzige Licht, was sie hatten, und es erhellte mehr schlecht als recht ein paar Schritt der schlammigen, von Wagenspuren durchzogenen Straße, das heruntergetretene Korn an beiden Seiten, die ängstlichen Kleine-Jungen-Gesichter von Brait und Colving und das dümmliche Glotzen von Stodder. Alle starrten sie zur Stadt hinüber, einer Gruppe von Lichtern vor ihnen im schwarzen Land, deren Schein die Unterseite der schweren Wolken am Himmel leicht erhellte. Sie alle umklammerten krampfhaft das Wenige, das in ihrer Bettlerschar als Waffe durchging, als ob sie gleich würden kämpfen müssen. Dabei war der Kampf für heute schon lange vorbei, und sie hatten ihn verpasst.
»Wieso mussten wir ganz hinten herumtrödeln?«, knurrte Beck.
»Wegen meinem kaputten Bein und deinem Mangel an Erfahrung, du Dummerjan«, gab Flut kurz angebunden über die Schulter hinweg zurück.
»Wie sollen wir denn Erfahrungen sammeln, wenn wir so weit hinten bleiben?«
»Auf diese Weise bekommt man Übung darin, wie man sich nicht töten lässt, und das ist eine Sache, bei der man gar nicht genug Übung haben kann, wenn du mich fragst.«
Beck hatte nicht gefragt. Für Flut empfand er mit jeder Meile, die sie miteinander marschiert waren, weniger Respekt. Der alte Sack schien sich um nichts anderes zu kümmern, als die Jungs aus Kämpfen herauszuhalten und ihnen Idiotenarbeiten zuzuweisen, wie Gräben ausheben, Sachen schleppen und Feuer machen. Ansonsten war er lediglich bemüht, sein Bein schön warm zu halten. Wenn Beck Frauenarbeit hätte machen wollen, hätte er auf dem Hof seiner Mutter bleiben können. Auf diese Weise hätte er sich vielleicht ein paar Nächte draußen im Wind erspart. Er war gekommen, um zu kämpfen und sich einen Namen zu machen, um Taten zu vollbringen, über die man später Lieder sang. Gerade wollte er auch
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