Heldenklingen
beim Angriff oder im Schildkreis kann ein Mann wenigstens kämpfen. Und so tun, als hätte er selbst in der Hand, was geschieht.« Er verzog leicht das Gesicht, als er die frische Naht mit den Fingerspitzen betastete. »Wie willst du ein Lied über jemanden machen, dem der ganze Kopf weggerissen wurde, während er gerade etwas wenig Bedeutungsvolles sagen wollte?«
»So wie Spaltfuß.«
»Genau.« Kropf war sich nicht sicher, ob er je zuvor einen Menschen erblickt hatte, der toter ausgesehen hätte als dieser alte Dreckskerl.
»Ich möchte, dass du seinen Posten einnimmst.«
»Hä?«, hakte Kropf nach. »Meine Ohren klingeln immer noch. Ich glaube, ich hab dich nicht richtig verstanden.«
Dow beugte sich weiter zu ihm rüber. »Ich möchte, dass du mein Stellvertreter wirst. Meine Carls anführst. Mir den Rücken deckst.«
Kropf starrte ihn an. »Ich?«
»Ja, du, das hab ich doch gerade gesagt!«
»Aber … wieso zur Hölle denn ich ?«
»Du hast die Erfahrung, den Respekt …« Dow sah ihn kurz an, die Zähne zusammengebissen. Dann machte er eine Handbewegung, als wollte er eine Fliege verscheuchen. »Du erinnerst mich an Dreibaum.«
Kropf blinzelte. Das war vermutlich das Großartigste, was man je über ihn gesagt hatte, und es kam aus einem Mund, der wirklich nicht dafür bekannt war, bei jeder Gelegenheit mit Lob um sich zu werfen. Oder überhaupt zu loben. »Na ja … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Danke, Häuptling. Das bedeutet mir sehr viel. Verdammt viel. Wenn ich jemals auch nur zum zehnten Teil so sein werde wie er, dann wäre ich zufrie…«
»Scheiß auf den ganzen Quatsch. Sag mir einfach, dass du es machst. Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann, Kropf, und du bist jemand, der die Dinge noch so angeht wie in den alten Zeiten. Du bist aufrecht und ehrlich, und von diesen Leuten gibt’s nicht mehr allzu viele. Sag mir einfach, dass du es machst.« Dow hatte auf einmal einen seltsamen Gesichtsausdruck. Sein Mund verzog sich auf eigentümliche, schwächliche Weise. Hätte Kropf es nicht besser gewusst, er hätte es für Angst gehalten, und dann erkannte er plötzlich, was los war.
Dow hatte niemanden, der ihm den Rücken stärkte. Keine Freunde, sondern nur Leute, die er mit Drohungen dazu gebracht hatte, dass sie ihm dienten, und ansonsten zahllose Feinde. Er hatte keine andere Wahl, als einem Mann zu vertrauen, den er zwar kaum kannte, der ihn aber an einen Kameraden erinnerte, der lange schon zu Schlamm geworden war. Das war der Preis eines großen Namens. Die Ernte eines Lebens, das den dunkelsten Geschäften gewidmet gewesen war.
»Klar mach ich das.« Und so einfach war es ausgesprochen. Vielleicht empfand er kurz Mitgefühl für Dow, so verrückt sich das vielleicht auch anhören mochte. Vielleicht verstand er die Einsamkeit, die man als Häuptling nun einmal empfand. Oder vielleicht war auch die Glut seines eigenen Ehrgeizes, von der er gedacht hatte, dass sie schon vor langer Zeit am Grab seiner Brüder endgültig verloschen war, von Dow noch einmal angefacht worden und flammte nun neu auf. Egal wieso, er hatte es gesagt, und nun konnte er sein Wort nicht mehr zurücknehmen. Ohne darüber nachzudenken, ob es das Rechte gewesen war. Für ihn, für sein Dutzend oder für sonst jemanden. Augenblicklich beschlich Kropf das unangenehme Gefühl, dass er einen Riesenfehler gemacht hatte. »Zumindest für die Dauer dieser Schlacht«, fügte er hinzu und versuchte, so gut es eben ging von dem Wasserfall zurückzurudern, zu dem ihn die reißende Strömung trieb. »Ich werde die Lücke ausfüllen, bis du jemand Besseren gefunden hast.«
»Guter Mann.« Dow streckte die Hand aus, und Kropf schlug ein. Als er wieder aufsah, war da wieder das alte Wolfsgrinsen, ohne eine Spur von Schwäche oder Angst oder auch nur etwas entfernt Ähnlichem. »Du hast das Rechte getan, Kropf.«
Kropf sah Dow hinterher, als der zu den Steinen auf der Hügelkuppe hinaufstieg, und fragte sich, ob sein Häuptling kurz seine Maske hatte fallen lassen, oder ob es Absicht gewesen war, sich verletzlich zu zeigen. Das Rechte? Hatte Kropf gerade eingewilligt, die rechte Hand des meistgehassten Mannes der ganzen Welt zu werden? Eines Mannes mit mehr Feinden als jeder andere, und das in einem Land, wo jeder sowieso schon zu viele besaß? Eines Mannes, den er nicht einmal besonders mochte, und den er nun mit seinem Leben zu schützen versprochen hatte? Er stöhnte auf.
Was würde sein Dutzend dazu sagen?
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