Heldenklingen
unterbrach ihn Kroy. »General Felnigg, sollte ich wohl sagen.«
»Felnigg?«, ertönte nun Mittericks Stimme, in der leises Grauen mitschwang.
»Er hat die nötigen Dienstjahre, und mein diesbezügliches Empfehlungsschreiben an den König ist bereits unterwegs.«
»Ich kann mit diesem Mann einfach nicht arbeiten!«
»Das können Sie und das werden Sie. Felnigg ist scharfsinnig und vorsichtig und wird ein gutes Gegengewicht zu Ihnen darstellen, so wie Sie es für mich gewesen sind. Obwohl Sie oft genug auf meinen Nerven herumgetrampelt sind, wenn ich ehrlich bin, war es mir doch alles in allem eine Ehre.« Ein Knallen war zu hören, als ob ein paar polierte Stiefelabsätze zusammengeschlagen wurden.
Noch einmal dasselbe Geräusch. »Lord Marschall Kroy, die Ehre war ganz und gar auf meiner Seite.«
Tunny und der Wachmann nahmen formvollendet Haltung an, als die beiden hochrangigsten Uniformträger des ganzen Heeres plötzlich aus dem Zelt hervortraten. Kroy verschwand energischen Schrittes in der Dunkelheit. Mitterick blieb stehen, sah ihm nach, während sich seine Hand wie von selbst mehrmals ballte und wieder öffnete.
Tunny hatte eine dringende Verabredung mit einer Flasche und seinem Bettzeug. Er räusperte sich. »Herr General Mitterick!«
Mitterick, der so tat, als habe er Staub ins Auge bekommen, während er sich deutlich erkennbar eine Träne aus dem Augenwinkel wischte, wandte sich zu Tunny um. »Ja?«
»Korporal Tunny, Herr General, Standartenträger des Ersten Regiments Seiner Majestät.«
Mitterick runzelte Stirn. »Jener Tunny, der nach Ulrioch zum Oberfeldwebel ernannt wurde?«
Tunny richtete sich auf. »Ebenjener, Herr General.«
»Jener Tunny, der nach Dunbrec dann wieder degradiert wurde?«
Tunny ließ die Schultern hängen. »Ebenjener, Herr General.«
»Jener Tunny, der nach dieser Sache da in Schrikta vors Kriegsgericht kam?«
Die Schultern sackten noch weiter nach unten. »Ebenjener, Herr General. Obwohl ich gleich darauf hinweisen möchte, dass mir bei dem Tribunal keinerlei Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte.«
Mitterick schnaubte. »Was wiederum zeigt, wie viel solche Tribunale wert sind. Was führt Sie hierher, Tunny?«
Der Korporal hob den Brief. »Ich komme in meiner offiziellen Funktion als Standartenträger, Herr General, mit einem Brief meines Oberkommandierenden, Oberst Vallimir.«
Mitterick warf einen Blick darauf. »Was schreibt er?«
»Ich würde niemals …«
»Ich bin mir sicher, dass ein Soldat wie Sie, der einige Erfahrung mit Tribunalen hat, keinen Brief überbringt, ohne eine Ahnung von seinem Inhalt zu haben. Was steht drin?«
Tunny musste zugeben, dass diese Überlegung nicht ganz unberechtigt war. »Herr General, ich vermute, dass der Oberst darin des Längeren und Breiteren erklärt, wieso er heute keinen Angriff geführt hat.«
»Ach. Tut er das?«
»Das tut er, Herr General, und er entschuldigt sich dafür in aller Form bei Ihnen und bei Marschall Kroy und bei Seiner Majestät und auch bei allen Bürgern der Union, und er bietet Ihnen seinen sofortigen Rücktritt an. Gleichzeitig besteht er darauf, sich vor einem Kriegsgericht verantworten zu dürfen – allerdings hat er sich in diesem Punkt eher etwas vage ausgedrückt, wenn ich das so sagen darf – , und dann lobt er seine Männer und schreibt sich ganz allein die Schuld zu … «
Mitterick nahm Tunny den Brief aus der Hand, zerknüllte ihn und warf ihn in eine Pfütze.
»Sagen Sie Oberst Vallimir, er möge sich keine Sorgen machen.« Der General sah kurz auf das Papier, das in der gebrochenen Spiegelung des Abendhimmels trieb, dann zuckte er die Achseln. »Es war eine Schlacht. Wir machen alle Fehler. Korporal Tunny, wäre es vergebliche Mühe, Ihnen anzuraten, in Zukunft keinen Ärger mehr zu machen?«
»Jeden Ratschlag ziehe ich dankbar in Erwägung, Herr General.«
»Und wenn ich einen Befehl daraus mache?«
»Auch Befehle ziehe ich in Erwägung.«
»Hmph. Wegtreten.«
Tunny salutierte mit größter Ergebenheit, wandte sich dann um und verschwand im Laufschritt in der Nacht, bevor jemand auf den Gedanken kommen würde, ihn wieder einmal vor ein Kriegsgericht zu stellen.
Die Zeit nach einer Schlacht ist für alle Kriegsgewinnler besonders ertragreich. Es gibt reichlich Leichen, die gefleddert werden können, selbst wenn man sie vielleicht dafür wieder ausgraben muss, es gibt einen schwunghaften Handel mit Trophäen, aber auch mit Schnaps, Tschagga und Spreu, denn an
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