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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Rauschmitteln haben sowohl die Feiernden wie auch die Trauernden reichlich Bedarf. Er hatte schon erlebt, dass Männer, die in dem ganzen Jahr vor einer kriegerischen Auseinandersetzung nicht das Schwarze unterm Nagel zusammengekratzt hatten, in der einen Stunde danach plötzlich ihr Glück machten. Aber Tunnys Güter waren größtenteils noch auf dem Rücken seines Pferdes, das sich jetzt wer weiß wo befinden mochte, und davon abgesehen war er auch einfach nicht in der richtigen Stimmung.
    Also hielt er Abstand von den Feuern und den Männern, die sich um sie versammelt hatten, hielt sich weit hinter den Linien und schlenderte schließlich nordwärts über das niedergetrampelte Schlachtfeld. Er kam an zwei Schreibern vorüber, die beim Schein einer Lampe dabei waren, die Namen der Toten zu erfassen; einer machte sich Notizen in einem dicken Buch, während der andere immer wieder die Leichentücher von den Gesichtern hob, um jene zu finden, die wichtig genug waren, dass man sie nach Midderland brachte, jene Männer, die zu edel waren, als das man sie im Nordland einfach so im Dreck verbuddelt hätte. Als sei ein Toter anders als der andere. Tunny kletterte über die Mauer, die er den ganzen Tag lang beobachtet hatte, und suchte sich im Dämmerlicht den Weg zu der Stelle links der Linien, wo die Überreste des Ersten Regiments noch immer lagerten.
    »Ich wusste es doch nicht, ich wusste es doch nicht, ich habe ihn einfach nicht gesehen!«
    Zwei Männer standen im Korn, zwischen dem überall kleine weiße Blumen wuchsen, vielleicht dreißig Schritt vom nächsten Feuer entfernt, und sahen auf irgendetwas hinab, das zu ihren Füßen lag. Einer der beiden war ein nervöser junger Mann, den Tunny nicht kannte, und der einen abgeschossenen Flachbogen in der Hand hielt. Vielleicht ein neuer Rekrut. Der andere war Dotter, der eine Fackel trug und mit ausgestrecktem Finger immer wieder auf den Jungen zeigte.
    »Was ist los?«, grollte Tunny, den ein ungutes Gefühl beschlich, während er zu den beiden hinüberging. »O nein. Nein.« Werth lag auf einem Stück kahler Erde. Seine Augen waren weit offen, die Zunge quoll ihm aus dem Mund, und ein Flachbogenbolzen ragte aus seinem Brustbein.
    »Ich dachte, es wäre ein Nordmann!«, jammerte der Junge.
    »Die Nordmänner sind nördlich unserer Linien, du verdammter Idiot!«, fauchte Dotter.
    »Ich dachte, er hätte eine Axt!«
    »Eine Schaufel.« Tunny hob das Werkzeug hoch, das direkt neben den schlaffen Fingern von Werths linker Hand im Korn gelegen hatte. »Der war wohl mal wieder unterwegs, um das zu tun, was er am besten konnte.«
    »Ich sollte dich umbringen!«, brüllte Dotter, der nach seinem Schwert griff. Der Junge schrie hilflos auf und hob abwehrend den Flachbogen.
    »Hört auf.« Tunny trat zwischen sie, legte Dotter beruhigend die Hand auf die Schulter und seufzte laut und traurig. »Es war eine Schlacht. Wir machen alle Fehler. Ich werde zu Feldwebel Forest gehen und herausfinden, was jetzt getan werden muss.« Er nahm dem Jungen den Flachbogen aus den schlaffen Händen und tauschte ihn gegen die Schaufel. »In der Zwischenzeit fangen Sie am besten schon mal an zu graben.« Für Werth würde der Dreck des Nordlands genügen müssen.

NACH DER SCHLACHT
    »Man muss nie lange
    warten oder allzu weit in die Ferne schweifen, um daran
erinnert zu werden, dass
nur eine ganz dünne Linie
dazwischen liegt, ob man nun
ein Held ist oder eine Ziege.«
    MICKEY MANTLE



DAS ENDE DES WEGES
    I st er da drin?«
    Espe nickte einmal langsam. »Ja.«
    »Allein?«, fragte Kropf, der die Hand auf den vergammelten Türgriff legte.
    »Er ist allein reingegangen.«
    Was also vermutlich hieß, dass die Hexe bei ihm war. Kropf war nicht besonders scharf darauf, ihre Bekanntschaft zu vertiefen, schon gar nicht nach ihrer kleinen Überraschung von gestern, aber der Morgen graute allmählich, und es war höchste Zeit. Es war sogar schon zehn Jahre überfällig. Er musste es zuerst seinem Häuptling sagen. Das war die rechte Art. Er blies die Backen auf und stieß die Luft aus, spürte den Schmerz in der genähten Kopfwunde, drückte dann die Klinke hinunter und trat ein.
    Ischri stand mitten im Zimmer auf dem gestampften Lehmboden, die Hände in die Hüften gestemmt, den Kopf zu einer Seite gekippt. Ihr langer Mantel war am Saum und an einem Ärmel leicht verbrannt, ein Teil des Kragens war weggeschmort, die Bandagen darunter geschwärzt. Aber ihre Haut war noch immer so makellos, dass beinahe

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