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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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erkennen zu lassen. Schnell berührte er ihren Handrücken und wandte sich hastig um, bevor er zu heulen anfing. Dann schritt er den Pfad hinunter, in den Krieg.
    Ging jenen Weg, von dem er dachte, dass auch sein Vater ihn gegangen war.
    Die Heerschau war nicht ganz das, was Beck erwartet hatte.
    Es fiel leichter Nieselregen. Zwar wurde man nicht richtig nass, aber dennoch standen alle Leute mit zusammengekniffenen Augen und eingezogenen Schultern da, und das Wetter schlug sich auf die gesamte Atmosphäre nieder, die ohnehin nicht besonders gut gewesen war. Die Männer, die sich melden wollten – oder die man vielmehr dazu gebracht hatte, sich melden zu wollen – , hatten zu Beginn vielleicht einmal ordentliche Schlangen gebildet, aber diese Formationen hatten sich längst in verworrene, schlammige, schlecht gelaunte Knäuel verwandelt. Bei den meisten Anwesenden handelte es sich um Jungen, die nach Becks Ansicht noch viel zu jung für diese Sache waren. Jungen, die vielleicht noch nie aus dem Tal herausgekommen waren und sich noch nie in einer Schlacht erprobt hatten. Die Übrigen waren mehr als ergraut, und davon abgesehen gab es noch ein paar Krüppel mit unterschiedlichen Behinderungen. Am Rand der Menge stützten sich ein paar von Reichels Carls auf ihre Speere oder saßen auf ihren Pferden da, wobei sie von den neuen Rekruten ebenso wenig beeindruckt schienen wie Beck. Von der edlen Gemeinschaft großer Kämpfer, in deren Rahmen Beck seine Heldentaten hatte vollbringen wollen, war diese Horde jedenfalls weit entfernt.
    Er schüttelte den Kopf, während er sich mit einer Hand den Mantel seiner Mutter unter dem Kinn zusammenhielt und mit der anderen unter dem Stoff das warme Heft des Schwertes seines Vaters umklammerte. Er gehörte nicht zu diesen Leuten. Vielleicht hatte Skarling Ohnekapp auch mit einer ganz unscheinbaren Truppe angefangen und später ein Heer aus ihr geformt, mit dem er die Union geschlagen hatte, aber Beck konnte sich nicht vorstellen, dass man von diesen hoffnungslosen Gestalten jemals Geschichten erzählen würde. Einmal sah er eine neu zusammengestellte Einheit an sich vorbeiziehen, und die beiden kleinen Jungs, die vorneweg marschierten, teilten sich einen Speer. Eine Heerschau, bei der es nicht einmal genug Waffen für alle gab – von so etwas war in den Liedern nie die Rede.
    Aus irgendeinem Grund – vielleicht, weil er sich diese Szene in seinen Tagträumen so oft vorgestellt hatte – war er fast davon ausgegangen, dass der alte Caul Reichel selbst anwesend sein würde, ein Mann, der seit ewigen Zeiten an jeder nennenswerten Schlacht teilgenommen hatte, ein Mann, der die Dinge noch nach der alten Art erledigte. Der vielleicht einen Blick mit Beck tauschte oder ihm auf die Schulter klopfte: Jungen wie den hier können wir brauchen! Seht euch diesen Jungen an! Von seiner Sorte müssen wir noch ein paar finden! Aber von Reichel war nichts zu sehen. Auch nicht von irgendwelchen anderen Leuten, die den Eindruck erweckten, als wüssten sie, was zu tun war. Eine Weile sah Beck wieder den matschigen Weg entlang, den er gekommen war, und dachte darüber nach, zum Hof zurückzukehren. Wenn er sich beeilte, würde er vor Morgengrauen wieder zu Hause sein …
    »Bist du gekommen, dich zu melden?« Ein Mann von geringer Größe, aber mit breiten Schultern, das Haar und die Bartstoppeln grau meliert. Er trug einen Streitkolben im Gürtel, der ganz offensichtlich schon oft im Einsatz gewesen war, und hatte das ganze Gewicht auf ein Bein verlagert, als hätte er Angst, dass das andere nachgeben würde, sobald er es belastete.
    Beck wollte nicht als Narr dastehen. Er schob alle Gedanken an eine Rückkehr beiseite. »Ich bin gekommen, um zu kämpfen.«
    »Gut für dich. Ich heiße Flut, und ich werde unsere kleine Einheit anführen, wenn die Musterung vorbei ist.« Er deutete auf eine nicht besonders vielversprechende Gruppe von Jungen, von denen einige ramponierte Bögen oder Beile bei sich hatten; die meisten trugen jedoch nichts außer ihren Kleidern. Beck überragte sie ein ganzes Stück; sie waren noch sehr jung. »Ich heiße Beck«, sagte er.
    »Colving«, murmelte einer. Wahrscheinlich höchstens dreizehn und noch ziemlich rundlich. Er sah sich mit groß aufgerissenen Augen um und schien vor allem Angst zu haben.
    »Stodder«, brummte es aus einem Mund, der voll verdorbenem Fleisch zu sein schien. Der Junge dazu hatte eine dicke Unterlippe, die stets feucht war und leicht herabhing, als sei

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