Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
heraus.
    »Was für Männer?«
    »Carls! Reichels Carls!«
    »Was?« Das Beil schwebte vergessen über Becks Kopf.
    »Joh. Sie halten eine Heerschau ab!«
    Er blieb noch einen Augenblick länger stehen, dann warf er das Beil auf den Holzstapel und marschierte zum Haus hinüber. Schnell und entschlossen, mit kribbelnder Haut. So schnell, dass Festen in leichten Trab verfiel, um mit ihm Schritt zu halten, während er immer wieder fragte: »Was willst du machen? Was willst du machen?« Und doch keine Antwort bekam.
    Vorbei am Pferch und den glotzenden Ziegen und den fünf großen Baumstümpfen, die von Becks allmorgendlichen Übungen zernarbt und zerschlagen waren. Hinein in die nach Rauch riechende Dunkelheit des Hauses, durchbrochen von hellen Schneisen Sonnenlicht, das durch die schlecht gefertigten Läden drang, über nackte Dielen und kahle alte Felle. Holz knarrte unter seinen Stiefeln, als er zu seiner Truhe schritt, sich hinkniete, den Deckel hob und ungeduldig seine Kleider beiseiteschob. Dann hob er es empor, mit zartem, liebevollem Griff. Das einzige Ding, das ihm etwas bedeutete.
    Gold schimmerte in der Düsternis, und er schloss die Finger um das Heft, spürte das perfekte Gleichgewicht, ließ die Klinge einen Fuß weit aus der Scheide gleiten. Lächelte, als jenes schabende, singende Geräusch erklang, das seine ohnehin schon angespannten Nerven noch weiter erbeben ließ. Wie oft hatte er so darauf hinab gesehen, es poliert, geschärft, poliert und von diesem Tag geträumt, und nun war der Tag gekommen. Er schob das Schwert in die Scheide zurück, wandte sich um und erstarrte.
    Seine Mutter stand in der Tür und sah ihm zu. Ein schwarzer Schatten vor dem weißen Himmel.
    »Ich nehme das Schwert meines Vaters«, zischte er und deutete mit dem Heft in ihre Richtung.
    »Er wurde mit diesem Schwert getötet.«
    »Es ist an mir, es zu nehmen!«
    »Das ist wahr.«
    »Du kannst mich nicht mehr hier festhalten.« Er stopfte ein paar Sachen in den Rucksack, den er stets bereithielt. »Du hast gesagt, diesen Sommer!«
    »Das habe ich.«
    »Du kannst mich nicht aufhalten!«
    »Versuche ich das vielleicht?«
    »In meinem Alter hatte Räder-Schubal schon sieben Jahre Feldzug hinter sich!«
    »Der Glückliche.«
    »Es ist an der Zeit. Schon längst!«
    »Ich weiß.« Sie sah zu, als er seinen ungespannten Bogen zur Hand nahm, der mit ein paar Pfeilen zusammengewickelt war. »Die Nächte werden kühl, spätestens in einem oder zwei Monaten. Nimm am besten meinen guten Mantel mit.«
    Das traf ihn unerwartet. »Ich … nein, den solltest du behalten.«
    »Ich wäre glücklicher, wenn ich wüsste, dass du ihn hättest.«
    Er wollte nicht streiten, weil er fürchtete, dann die Fassung zu verlieren. Zwar dürstete er danach, sich Abertausenden von Südländern entgegenzustellen, aber die eine Frau, die ihn zur Welt gebracht hatte, jagte ihm Angst ein. Also riss er hastig ihren guten, grün gefärbten Mantel vom Haken und warf ihn sich über die Schulter, als er zur Tür schritt. Behandelte das gute Stück, als sei es weiter gar nichts, obwohl er wusste, dass es das Beste war, das sie besaß.
    Festen stand draußen, unruhig, und ohne eigentlich zu begreifen, was vor sich ging. Beck zerstrubbelte ihm das rote Haar. »Jetzt bist du der Mann im Haus. Hack ordentlich Holz, und ich bringe dir etwas vom Feldzug mit.«
    »Da gibt es nichts, was wir gebrauchen könnten«, sagte seine Mutter, die ihn aus den Schatten beobachtete. Nicht zornig, wie sie sonst gewesen war. Nur traurig. Bis zu diesem Augenblick war ihm kaum jemals aufgefallen, dass er inzwischen viel größer war als sie. Ihr Scheitel reichte ihm kaum bis an den Hals.
    »Wir werden sehen.« Er nahm die beiden Stufen, die von der Tür hinunterführten, ging unter der moosbewachsenen Traufe des Hauses hindurch und drehte sich dann unwillkürlich noch einmal um. »Also dann.«
    »Nur noch eines, Beck.« Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Stirn. Ein ganz sanfter Kuss, zart wie ein Regentropfen. Dann berührte sie seine Wange und lächelte. »Mein Sohn.«
    Er fühlte, wie ihm Tränen die Kehle zuschnürten, und er fühlte sich schuldig wegen all dem, was er gesagt hatte, aber auch glücklich, sich nun endlich durchgesetzt zu haben, wütend über die lange Zeit, in der ihm das nicht gelungen war, und traurig, dass er ging, ängstlich und aufgeregt, alles auf einmal. Es gelang ihm kaum, bei all diesen widerstreitenden Gefühlen eine eindeutige Regung auf seinem Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher