Heldenklingen
aufgefallen, dass mich heute Morgen ein paar Freunde begleitet haben.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter zu den Kindern. »Deswegen frage ich dich noch einmal. Kann ich meinen Hügel wiederhaben?«
Die letzte Chance. Kropf stieß einen langen Seufzer aus und rief in den Wind: »Leider nicht, Hartbrot! Du wirst hier hochkommen und ihn mir wegnehmen müssen!«
»Wie viele Leute hast du bei dir? Neun? Gegen meine zwei Dutzend?«
»Wir haben schon unter schlechteren Bedingungen gekämpft!« Obwohl er sich nicht erinnern konnte, das je aus freien Stücken getan zu haben.
»Wie schön für dich, du Arsch, ich hätte keine Lust dazu!« Hartbrot bemühte sich, nach diesem zornigen Ausfall wieder gelassen zu klingen. »Hör mal, es ist doch nicht nötig, dass diese Geschichte aus dem Ruder läuft.«
»Du solltest nicht vergessen, dass wir im Krieg sind!« Kropf stellte fest, dass er die letzten Worte viel giftiger herausgeschleudert hatte, als eigentlich seine Absicht gewesen war.
Soweit er das auf diese Entfernung feststellen konnte, hatte Hartbrot aufgehört zu grinsen. »Da hast du Recht. Ich wollte dir lediglich dieselbe Chance geben, die du mir eingeräumt hast, das ist alles.«
»Sehr nett von dir. Ich weiß das zu schätzen. Nur leider kann ich hier nicht weg.«
»Das ist in jeder Hinsicht höchst bedauerlich.«
»Joh. Aber so ist es nun mal.«
Hartbrot holte tief Luft, als wollte er noch etwas sagen, aber es kam nichts. Er stand einfach nur da. Genau wie Kropf. Und wie dessen Truppe hinter ihm, die den Hügel hinabblickte. Und Hartbrots Truppe, die den Hügel hinaufsah. Schweigen lag über den Helden, nur der Wind pfiff leise über das Gras, ein paar Vögel zirpten, und die Bienen summten in der Wärme und kümmerten sich um die Blüten. Ein friedlicher Augenblick. Vor allem, wenn man bedachte, dass man im Krieg war.
Dann klappte Hartbrot den Mund zu, wandte sich um und stapfte den steilen Abhang zu den Kindern hinunter.
»Ich könnte ihn erschießen«, raunte Herrlich.
»Weiß ich«, raunte Kropf zurück. »Und du weißt, dass du es nicht kannst.«
»Klar. Ich dachte, ich sag’s nur noch mal.«
»Vielleicht denkt er noch mal drüber nach und entscheidet sich dagegen.« Aber Brack klang nicht besonders hoffnungsvoll.
»Nein. Ihm gefällt diese Sache nicht besser als uns, aber er hat schon einmal nachgegeben. Und die Umstände sind für ihn viel zu günstig, als dass er wieder abzöge.« Kropf flüsterte die letzten Worte beinahe. »Das wäre nicht recht.« Jetzt hatte Hartbrot die Kinder erreicht und verschwand zwischen ihren hohen Steinen. »Jeder, der keinen Bogen hat, geht zurück in den Kreis der Helden und wartet auf den Angriff.«
Die Stille breitete sich aus. Ein nagender Schmerz pochte in Kropfs Knie, als er sein Gewicht verlagerte. Hinter ihm erklangen Stimmen; Yon und Brack stritten sich über Nichtigkeiten, während sie sich zu ihrer kurzen Linie aufstellten. Noch mehr Stille. Krieg besteht zu neunundneunzig Teilen aus Langeweile, ergänzt um einen Teil Panik, der einem den Arsch aufreißt. Kropf hatte das überwältigende Gefühl, dass ihm genau einer dieser Augenblicke bevorstand.
Agrick hatte ein paar Pfeile vor sich in den Boden gespießt, und ihre Befiederung zitterte wie Gräsersaat im Wind. Er wippte auf den Hacken und rieb sich das Kinn. »Vielleicht wartet er, bis es dunkel ist.«
»Nein. Wenn er mehr Leute zugeteilt bekommen hat, dann deswegen, weil der Hundsmann diesen Hügel haben will. Die Union will ihn auch. Hartbrot wird nicht das Risiko eingehen wollen, dass wir bis zum Abend Unterstützung bekommen könnten.«
»Das heißt …«, murmelte Drofd.
»Joh. Ich denke, sie werden jetzt kommen.«
Kaum hatte Kropf das Wörtchen »jetzt« ausgesprochen, da lösten sich die Gegner auch schon aus den Schatten der Kinder. Sie formierten sich zu einer ordentlichen Reihe und rückten in gleichmäßiger Geschwindigkeit vor. Ein Schildwall, vielleicht ein Dutzend Männer breit, hinter dem die Speerspitzen einer zweiten Reihe glitzerten, flankiert von Bogenschützen, die in der Deckung der Schilde blieben.
»Alte Schule«, sagte Herrlich und legte einen Pfeil auf die Sehne.
»Von Hartbrot hätte ich nichts anderes erwartet. Er ist ja selbst alte Schule.« Ganz ähnlich wie Kropf. Zwei übrig gebliebene alte Narren, die es länger ausgehalten hatten, als ihnen von Rechts wegen zukam, und die jetzt anfingen, sich gegenseitig ein paar Risse in die Fassade zu hauen.
Weitere Kostenlose Bücher