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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Offiziere lösten sich aus dem Schatten der Apfelbäume und kamen in die Sonne. Vor ihnen erstreckte sich ein grasbewachsener Abhang.
    »Zu mir, Leute, zu mir!« Jalenhorm trieb sein Streitross den Hang hinauf und hielt problemlos das Gleichgewicht im Sattel, während sein Gefolge Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Ein Hauptmann mit schütterem Haar fiel beinahe vom Pferd, als er mit dem Kopf einen niedrigen Ast streifte.
    Nahe der Kuppe umgab eine alte Trockensteinmauer die Bergspitze, mit wucherndem Unkraut überwachsen und von außen kaum höher als einen oder zwei Schritt. Einer der vorwitzigeren Fähnriche versuchte sie angeberisch im Sprung zu nehmen, aber sein Pferd scheute und warf ihn beinahe ab. Eine passende Metapher für den bisherigen Einsatz der Union hier im Norden – viel hohle Eitelkeit, die nur peinlich endet.
    Jalenhorm und seine Offiziere nutzten eine schmale Lücke in der Mauer, um in das Innere des Kreises zu gelangen. Mit jedem Hufschlag ragten die Steine höher vor ihnen auf und blickten schließlich streng auf Gorst und die anderen hinunter, als sie die Bergspitze erreicht hatten.
    Es war beinahe Mittag, die Sonne stand hoch und brannte heiß, der Morgennebel hatte sich aufgelöst, und abgesehen von einigen weißen Wolkentürmen, die dräuende Schatten über die Wälder im Norden warfen, war das Tal in goldenes Sonnenlicht getaucht. Der Wind fuhr über das wogende Korn, die Stromschnellen an den Untiefen glitzerten, und eine Unionsflagge flatterte stolz am höchsten Turm des Städtchens Osrung. Südlich des Flusses lag dichter Staub über den vielen Tausend Marschierenden auf den Straßen, und dort, wo die Soldaten sich bewegten, blitzte gelegentlich ein wenig Metall auf. Infanterie, Kavallerie, Versorgungswagen rollten zäh und langsam heran. Jalenhorm zügelte sein Pferd und sah sich um, und das, was er sah, gefiel ihm offenbar gar nicht.
    »Wir bewegen uns nicht schnell genug, verdammt! Herr Major!«
    »Herr General?«
    »Reiten Sie nach Adwein und sehen Sie zu, ob Sie nicht für ein wenig mehr Tempo sorgen können! Wir brauchen mehr Leute hier auf diesem Berg! Und mehr Männer in Osrung. Sie müssen sich beeilen!«
    »Jawohl, Herr General!«
    »Ach, Herr Major …«
    »Jawohl, Herr General?«
    Jalenhorm saß einen Augenblick mit offenem Mund da. »Auch egal. Gehen Sie!«
    Der Mann ritt in die verkehrte Richtung davon, erkannte dann aber seinen Fehler und wandte sich zu dem Weg um, den sie gerade heraufgekommen waren.
    In dem großen Kreis der Helden herrschte heilloses Durcheinander. An zweien der Steine hatte man die Pferde angebunden, aber eines hatte sich losgerissen und machte nun einen ohrenbetäubenden Lärm, erschreckte die anderen und schlug zu allen Seiten aus, während mehrere eingeschüchterte Pferdeknechte versuchten, die Zügel zu packen. Die Standarte des Sechsten Regiments der Königstreuen hing schlaff in der Mitte des großen Runds neben einer alten Feuerstelle, und da sie zwischen den hohen Steinriesen so klein wirkte, trug sie wenig dazu bei, die Moral der Männer zu heben. Obwohl das vielleicht auch daran liegen mag, dass meine Moral durch gar nichts zu heben wäre.
    Zwei der kleinen Wagen, die man auf die Hügelkuppe geschleppt hatte, waren aus irgendeinem Grund umgekippt, und ihr Inhalt – von Zelten über Töpfe und Schmiedewerkzeug bis hin zu einem funkelnagelneuen Waschbrett – verteilte sich auf dem Gras, während die Soldaten in den Trümmern herumwühlten wie Plünderer, die auf leichte Beute hofften.
    »Was zur Hölle tun Sie da, Korporal?«, donnerte Jalenhorm, der seinem Pferd die Sporen gab und zu dem Mann hinüberritt.
    Der Korporal sah mit schuldbewusstem Gesicht auf, als er bemerkte, dass die Aufmerksamkeit seines Generals und zweier Dutzend Stabsoffiziere auf ihn gerichtet war, und schluckte. »Nun ja, Herr General, wir sind ein bisschen knapp an Flachbogenbolzen, nicht wahr.«
    »Und?«
    »Nun war es wohl so, dass diejenigen, die unsere Versorgungswagen gepackt haben, die Munition für sehr wichtig hielten.«
    »Natürlich.«
    »Deswegen wurde sie zuerst eingepackt.«
    »Zuerst.«
    »Jawohl, Herr General, also ganz unten sozusagen.«
    »Ganz unten?«
    »Herr General!« Ein Mann mit makelloser Uniform trat hastig zu ihnen, das Kinn hoch erhoben, und er salutierte so knackig vor Jalenhorm, dass das Zusammenschlagen seiner Hacken beinahe in den Ohren schmerzte.
    Der General schwang sich aus dem Sattel und schüttelte dem Neuankömmling die Hand.

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