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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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seinem Revers deutlich vorweisen.
    »Gegen den Mann ist ein politisches Verfahren anhängig«, erklärt Bruckmann.
    Claus Benz pfeift durch die Zähne. »So?« sagt er. »Na ja –«
    »Was heißt na ja, Herr Oberleutnant?« fragt der Kripobeamte.
    »Ich hab' zwar so gut wie nie mit Hans Faber über politische Dinge gesprochen, aber auch nicht den Eindruck gewonnen, daß er ein übertrieben strammer Gefolgsmann des Führers ist.«
    »Nein, das ist er wirklich nicht«, erwidert der Chef der Polit-Polizei.
    »Dann ist er ja wohl beim Barras bestens aufgehoben«, entgegnet der Oberleutnant. »Die ziehen ihm schon die Hammelbeine lang und bringen ihm die Tugenden eines Soldaten bei.«
    »Möglich«, versetzt Bruckmann nachdenklich. Er begibt sich in den Justizpalast.
    Oberstaatsanwalt Rindsfell weiß, daß der Angeschuldigte seinem Zugriff, zufällig oder bewußt, entzogen ist. »Mist«, sagt er. »Stellen Sie die Aussagen zusammen. Wir übersenden sie seiner Einheit mit der Bitte, das Kriegsgericht einzuschalten. Formulieren Sie Ihren Bericht so scharf wie möglich und legen Sie ihn mir dann zur Unterschrift vor.«
    Am 9. September geht das Dossier an das Panzerlehrbataillon des Regiments 35 ab. Am gleichen Tag gerät Feldwebel Faber mit seiner Vorausabteilung in eine feindliche Falle.
     
    Die Abteilung des Arbeitsdienstes steht auf dem verschneiten Lagerhof und übt Griffe. Die Spaten blitzen im trüben Morgenlicht. Sie sind blankgeschmirgelt, weil zweckentfremdet. Mit ihnen ist nicht zu arbeiten, sondern zu exerzieren. Der Feldmeister zeigt sich in seinem Element. Er hat die Schulterstücke eines Offiziers und tobt wie ein Prolet.
    Stefan Hartwig preßt die Zähne aufeinander. Er schwitzt, denn er gibt sich Mühe. Die Handgelenke schmerzen. Bei einem von ihnen geht der Präsentiergriff daneben.
    »Wer nachkleckert, schrubbt morgen die Böden«, tobt der Feldmeister. Arbeit bleibt für ihn die Drohung Nummer eins. Das ist vielleicht ein Rest seiner Laufbahn vom Gelegenheitsarbeiter zum Arbeitsdienstführer.
    Ich darf nicht auffallen, sagt sich Stefan. Morgen wenigstens will ich keine Böden schrubben. Denn morgen ist kein gewöhnlicher Sonnabend. Morgen kommt Claudia. Endlich! Zwei Monate lang, in denen er die schmutzfarbene Uniform mit dem groben Tuch hassen lernte, seit dem 1. Juli, klammert er sich an diesen Besuch. Jetzt ist es soweit. Und jetzt muß es anders sein als bisher. Ich bin jetzt ein Mann, sagt er sich immer wieder, kein Gymnasiast mehr.
    An seinem Spind klebt Claudias Foto; es zeigt sie im Badeanzug als Galionsfigur an Deck eines Ausflugsschiffes.
    »Beachtlich«, stellt Feldmeister Weinrich fest und spitzt die Lippen. »Toller Käfer. Wie kommt so ein Schlumpschütze wie Sie an so'n Mädchen?« Er geht näher heran, starrt das Foto an. Seine Empfindungen spiegeln sich auf seinem Gesicht. Er dreht sich um, grinst schiefmundig und kalauert: »Auf jedem Schiff, ob's dampft, ob's segelt, ist einer, der die Waschfrau vögelt.«
    Die Umstehenden lachen, Stefan steht stramm. Die Hände an seiner Hosennaht ballen sich zu Fäusten, die danach gieren, in das Gesicht des Mannes mit der drei Finger breiten Stirn zu schlagen. Er beherrscht sich eisern. Wenn er jetzt auf die Provokationen eingeht, ist die erträumte militärische Karriere im Eimer. Er wird die Zähne aufeinanderbeißen und – wie es im Jargon der Zeit heißt – die Arschbacken zusammenkneifen, genarrt von der Vision, so schnell wie möglich Offizier zu werden, um dann RAD-Führer durch die Mangel zu drehen, daß sie nicht mehr wissen, ob sie Männchen oder Weibchen sind.
    »Sie sind ja rot wie 'ne Jungfrau«, quält ihn Feldmeister Weinrich. »So wie Sie aussehen, haben Sie diese Lustpuppe noch nie vernascht.« Er stupst Stefan mit dem Zeigefinger an die Brust. »Oder doch?« fragt er mit sicherem Instinkt für Peinlichkeiten vor der gesamten Stubenbesatzung.
    Der Dienst geht weiter. Zum hundertsten Male die höhnische Aufforderung: »Seht euch diese Abiturienten an!« Der Feldmeister kann Stefan nicht leiden. Er ärgert sich über das Abitur des Arbeitsmannes, weil er keins hat. Er ärgert sich über die Gegenwart Stefans, weil sie nur sechs Monate dauern wird. Er ärgert sich über die Schlammpfützen, weil sie schließlich die jungen Männer wieder freigeben müssen.
    »Hinlegen!« brüllt der Schleifer.
    Die ganze Abteilung liegt am Boden, erschöpft und verdrossen.
    »Bedankt euch bei den Abiturienten!« grölt der RAD-Führer

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