Heldensabbat
Adjutanten herein, das Schreibstubenpersonal, jeden, der sich im Vorraum des Bataillonsgefechtsstands aufhält, und sagt fröhlich: »So, nun machen Sie den Mund auf, Feldwebel Faber, dienstlicher Befehl.«
»Jawohl, Herr Major«, entgegnet der Reservist stramm. »Es war die Antwort auf die Frage nach den Errungenschaften des Nationalsozialismus. ›Gut‹, habe ich geantwortet – wie gesagt, ich war nicht nüchtern –, ›das ist der Sieg der Arbeitsscheuen über die Arbeitslosen.‹«
Der Major lacht lauthals, und die Umstehenden überbieten ihn noch. »Weiter«, sagt er, »das ist doch wohl noch nicht alles?«
»Ich zählte dann die Protagonisten der Bewegung auf: ›Adolf Hitler‹, sagte ich, ›der Schöpfer des freiwilligen Zwangs. Hermann Göring, der Meister des schlichten Prunks. Dr. Goebbels, der Erfinder der relativen Wahrheit. Dr. Schacht, der Schöpfer der stabilen Inflation.‹«
Pringsheim lacht, daß ihm die Tränen aus den Augen kullern und man durch seinen offenen Waffenrock sein Zwerchfell hüpfen sieht. »Pfundig«, ruft er. »Mann, Sie sind ja Klasse! Mensch, Faber, Feldwebel, Doktor, Sie gefallen mir! Den Witz muß ich mir aufschreiben.«
»Steht in den Akten, Herr Major«, versetzt Faber trocken.
Major von Pringsheim holt aus seinem Schreibtisch ein Glas, gießt Wodka ein. »Jetzt trinken Sie einen mit mir«, fordert er Faber auf. »Sonst ernenne ich Sie zu meinem Hofnarren.«
Hans Faber mag keinen Schnaps, aber es ist der süffigste Wodka seines Lebens.
»So«, befiehlt der Major. »Jetzt alle raus bis auf den Schreibbullen! Nein, Sie bleiben auch hier, Feldwebel Faber.« Er wirft dem Stabsschreiber die ihm vom Divisionsgericht zwecks Stellungnahme vorgelegte Rindsfell-Anzeige hin. »Betrifft Aktenzeichen usw. Sie kennen das ja –«
»Jawohl, Herr Major.«
Pringsheim betrachtet wohlgefällig Fabers leeres Glas, gießt ihm nach und diktiert: »Feldwebel Dr. Hans Faber, ein Reservist und trotzdem einer der besten Unterführer der Panzerlehrabteilung, räumt ein, daß er den inkriminierten Witz – suchen Sie die Stelle im Akt und geben Sie sie genau an«, wendet er sich an den Stabsschreiber, »zu vorgerückter Stunde bei einer Abiturientenfeier im nicht mehr nüchternen Zustand und im geschlossenen Kreis erzählt haben könnte. Er bedauert es so nachdrücklich, daß er seitdem keinen Tropfen Alkohol mehr anrührt und lieber das Gespött seiner Kameraden auf sich nimmt. Der Feldwebel ist nach der Beurteilung seines Kompaniechefs, Oberleutnant Pfungstadt, ein vorbildlicher Soldat im Frieden wie im Krieg. Deshalb habe ich Feldwebel Faber längst, bevor mir die Anwürfe des Oberstaatsanwalts Rindsfell bekannt wurden, für die Reserveoffizierslaufbahn vorgeschlagen. Heute wurden ihm wegen besonderer Tapferkeit vor dem Feind das EK I und das EK II verliehen. Er hat sich glänzend bewährt. Ich sehe Fabers Platz weiterhin an der Front als Soldat und lehne daher die Eröffnung eines Kriegsgerichtsverfahrens ab.«
Pringsheim sieht den Feldwebel an, genießt seine Verwirrung. »So«, sagt er dann zu dem Stabsschreiber, »noch den üblichen arischen Schmonzes mit deutschem Gruß und so weiter. Legen Sie mir den Wisch gleich zur Unterschrift vor und geben Sie ihn heute noch an das Divisionsgericht weiter.«
»Jawohl, Herr Major«, erwidert der Schreibstubenoberfeldwebel.
»Für mich ist der Fall erledigt«, stellt der Kommandeur fest. »Und wohl auch für Sie, Faber.« Der Sieger vieler Reitturniere erhebt sich. »Haben Sie noch etwas auf dem Herzen, Feldwebel?«
»Zuerst bitte ich, Herrn Major danken zu dürfen.«
»Sie sind doch noch ein halber Zivilist«, erwidert der Offizier. »Dank ist unmilitärisch.«
»Dann bitte ich Herrn Major, Heiratsurlaub beantragen zu dürfen«, wird der Feldwebel, ganz militärisch, tollkühn.
»Wer heiratet, ist selbst dran schuld«, versetzt der früher fröhliche Reitersmann. »Nun passen Sie mal auf, Faber: Unser Regiment wird in den nächsten Wochen und Monaten in Mainbach wieder aufgefrischt und neu ausgerüstet. Wie ich höre, verlegt anschließend die 4. PD geschlossen in den Raum von Lüdenscheid. Ich werde dafür sorgen, daß man Sie dem Vorauskommando zuteilt.« Er lacht trocken. »Sehen Sie nicht so bekümmert aus der Wäsche – Sie machen nur einen Umweg über Westfalen in Ihre Heimatstadt. Sowie dort die Luft wieder rein ist – und das wird sie umgehend, das garantiere ich Ihnen –, erhalten Sie Ihren Heiratsurlaub. Anschließend
Weitere Kostenlose Bücher