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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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etwa fünfzehn Personen festgestellt, daß der Kampf im Osten schon vor dem Kriegseintritt Amerikas verloren war, daß seine Fortsetzung ein Verbrechen ist und daß es für Deutschland nur noch eine Chance gibt: einen schnellen Zusammenbruch. Erinnern Sie sich, Herr Hartwig?«
    »Nein.«
    »Dafür gibt es Zeugen«, versetzt der Kriminalbeamte und fixiert den U-Häftling.
    »Dann stellen Sie mich ihnen gegenüber«, erwidert der Anwalt.
    »Das kommt noch«, entgegnet Glühlein drohend. »Was meinen Sie, wie lange wir auf diesen Tag gewartet haben.« Sein Gesicht wirkt gehässig, fanatisiert. »Der Ofen ist für Sie aus, Herr Dr. Hartwig.«
    Der Jurist überlegt. Seit Jahren ist er auf der Hut, aber gerade in letzter Zeit mußte er feststellen, daß sein Zustand mitunter zu einer Konzentrationsschwäche führt. Es waren nette Leute in der Pension Pregler, meistens ältere, die offen ihre Sorge über die Kriegsentwicklung äußerten. Dazwischen eine muntere Zwanzigjährige, die etwas Leben in den Laden brachte: Lilo Gürtler. Und jetzt erinnert sich Wolf Hartwig auch, daß ihn Marie-Luise angestoßen hatte, als er in den Chor der Sorge einstimmte. »Nun sei doch mal still, Wolf«, hatte seine Frau gesagt. »Du kennst doch Fräulein Gürtler gar nicht.«
    »Fräulein Lilo sieht so natürlich aus, sie verkörpert mit ihren roten Backen und ihren weißen Zähnen das Allgäu«, hatte er geantwortet. »Sie versteht mich schon richtig.«
    Er geht die Gäste der Kaffeetafel noch einmal durch: An die fünfzehn Personen, aber schon bei den zwölf Aposteln hatte ein Judas mit am Tisch gesessen.
    »Dämmert's langsam bei Ihnen?« fragt Glühlein barsch. »Oder muß ich Ihrem Gedächtnis weiter auf die Sprünge helfen?«
    »Ich erinnere mich nicht«, behauptet der Anwalt zum zweiten Mal.
    »Also«, kontert der Gestapo-Büttel gereizt, »fangen wir noch einmal von vorne an.«
    Die erste Vernehmung dauert acht Stunden. Der Festgenommene ist noch immer nüchtern. Seine Medikamente fehlen ihm, nicht einmal ein Glas Wasser bietet man ihm an.
    »Ich habe zwei Tage und zwei Nächte durchgearbeitet«, sagt der Jurist zu dem Gestapo-Beauftragten. »Ich bin nicht mehr in der Lage, der Vernehmung zu folgen.«
    »Sie lügen!« brüllt der Kriminalobersekretär und springt auf.
    Auf einmal ist der Gefängnisarzt zur Stelle, er untersucht den Festgenommenen nur flüchtig. »Dr. Hartwig ist nicht mehr vernehmungsfähig«, stellt der Mediziner fest.
    »Das ist mir wurscht«, erwidert Glühlein. Er will mit dem Verhör weitermachen, aber sein Opfer antwortet nicht mehr. Wie häufig in letzter Zeit sind seine Beine angeschwollen, vermutlich Wasser im Gewebe, weil das Herz nicht mehr mitkommt.
    Stefans Onkel wird in eine Einzelzelle abgeführt; sowie Glühlein aus dem Haus ist, wird das Wachpersonal freundlich, hilfsbereit. Der Gefangene erhält zu essen, seine Medikamente, aber Frau Marie-Luise wird nicht vorgelassen. Anweisung von Kriminaloberinspektor Bruckmann. Hinter ihm steht Mainbachs SD-Chef Hassler, und über ihm wirkt in Berlin, vorläufig noch in der Ferne, einer, der eine alte Rechnung mit dem Anwalt der Verfolgten zu begleichen hat und Pardon nicht kennt: Rindsfell, Reichsanwalt beim Volksgerichtshof.
    Obwohl die Verhaftung Dr. Hartwigs weisungsgemäß ohne Aufsehen durchgeführt wurde, verbreitet sich in Mainbach noch am gleichen Tag die Nachricht wie ein Lauffeuer. Viele Einwohner sind entsetzt oder bestürzt, nicht wenige zeigen offen Schadenfreude und Genugtuung. Und manche sind so auf das eigene Schicksal fixiert, daß sie sich allen Ereignissen gegenüber als abgestumpft erweisen, die nicht sie selbst betreffen.
    Marie-Luise Hartwig bestürmt Kriminaloberinspektor Bruckmann wegen einer Besuchserlaubnis.
    »Tut mir leid«, behauptet der Chef der Politischen Polizei. »Ich habe strenge Weisung von der Staatsanwaltschaft, niemanden vorzulassen. Auch Sie nicht, Frau Hartwig.« Er zündet sich eine Zigarette an, betrachtet die Besucherin. »Sie waren doch dabei in Kirchbach. Sie müssen doch am besten wissen, was Ihr Mann verbrochen hat. Hat er nicht den Führer einen Dilettanten genannt und den Krieg ein Verbrechen? Hat er nicht die Bewegung als Hexenwahn unserer Zeit verleumdet?«
    »Ich – ich weiß von nichts«, erwidert die Frau des Verhafteten.
    Es fällt ihr schwer. Die Äußerungen, die man Wolf zur Last legt, sind aufgebauscht, aber in gemäßigterer Form tatsächlich gefallen. Und diese Gürtler, das Mädchen mit den

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