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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Innenstadt drei Tage lang, vom Obstmarkt zog sich eine Flammenwand bis in die Adolf-Hitler-Straße – es war die Feuerbestattung für meine Eltern. Hier brach unser Gespräch ab.
    »Hänschen muß jetzt ins Bett«, entschied Sibylle.
    Der Junge zeterte und protestierte. Als ihm Bongo versprach, gleich am Morgen für ihn eine Steinschleuder zu basteln, ließ er sich widerstandslos abführen wie ein Musterkind.
    »Toll, wie Sie mit Kindern umgehen können, Herr Klett«, sagte Sibylle.
    »Nicht nur mit Kindern«, erwiderte ich anzüglich. »Auch mit mir. Oder mit Tarzan.« Ich grinste Bongo schadenfroh ins Gesicht. »Und erst mit dem schönen Geschlecht.«
    »Stimmt das?« hieb Sibylle in meine Kerbe.
    »Das war in Feindesland«, brummelte Bongo. Es sah aus, als würde der alte Schwerenöter tatsächlich rot. Er wirkte längst nicht mehr so ungeschlacht wie sonst und legte ganz schnell den Soldatenjargon ab. Auf einmal hatte dieser Draufgänger fast etwas Feines an sich.
    Blumen standen auf dem hübsch gedeckten Frühstückstisch. Das ganze Haus duftete nach Bohnenkaffee, wohl ein Mitbringsel des Captain Stone. Die Sonne schien schon am frühen Morgen. Der Frühling kam als willkommener Eroberer stürmisch voran.
    Sibylle erwartete mich in der stilvollen Ecke, frisch, adrett, die reizvollste Witwe, der ich je begegnet war.
    »Warten wir noch auf Bongo?« fragte ich.
    »Da kennst du Hänschen schlecht«, erwiderte sie lachend. »Der strapaziert ihn schon seit mindestens einer Stunde. Da hat sich dein Freund auf etwas eingelassen.«
    »Wie gefällt er dir?« fragte ich.
    »Nicht übel«, entgegnete Sibylle und goss mir Kaffee nach. »Hübsch hier, nicht? Hänschen und ich können noch einige Tage bleiben.«
    »Und die ›Bertrag‹ interessiert dich nicht mehr?« fragte ich.
    »Doch«, erwiderte sie. »Aber ich bin dort sozusagen nur mehr zu Besuch. Property Control hat einen Treuhänder eingesetzt, einen richtigen Tausendsassa –«
    »– der jetzt auf deinem Stuhl sitzt.«
    »Ich bin nicht so versessen«, entgegnete Sibylle. »Dr. Fritz Herter ist zur Zeit für die Geschäfte verantwortlich – aber Geschäfte gibt es momentan fast nicht.«
    »Und du wirst nicht von dem Treuhänder schikaniert?«
    »Keineswegs«, versetzte Sibylle. »Dr. Herter ist eigentlich ganz nett und läßt sich kaum sehen. Er tanzt auf vielen Hochzeiten. Er ist zugleich zweiter Bürgermeister, Direktor der Dresdner Bank, Präsident des 1. FC Mainbach und auch noch Treuhänder für andere Firmen unter Vermögenskontrolle. Er ist sehr einflußreich und keineswegs ungefällig.«
    »Und wo kommt dieser Wunderknabe her?« fragte ich.
    »Geboren ist er in Zwickau. Er war jahrelang in einem KZ eingesperrt.« Sie schob mir ein Honigbrötchen zu.
    Einen Moment lang stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn Hans auf meinem Platz säße. »Ich hab' mich noch gar nicht bei dir bedankt, Sibylle, für deine Verwendung bei Tarzan«, sagte ich hölzern.
    »Das sollst du auch nicht«, entgegnete sie. »Außerdem müßtest du es dann auch noch bei einer anderen tun.«
    Ich ahnte, wen Sibylle meinte, aber ich ging nicht darauf ein.
    »Interessiert dich nicht, Stefan, wer dich baldmöglichst wieder in Mainbach sehen wollte?«
    »Ich nehme an, du sprichst von Claudia«, erwiderte ich wie mit vollem Mund. »Wie geht es ihr?«
    »Sie hat sich, nachdem Christian Maurer gefallen war, ganz in ihr Studium verbissen und ein glänzendes Staatsexamen hingelegt. Zur Zeit praktiziert sie als Jungärztin im Städtischen Krankenhaus.«
    Ich gab mich betont uninteressiert.
    »Claudia war doch deine große Liebe«, drängte Sibylle.
    »Es war einmal«, versetzte ich. »Aber unsere Zeit ist kein Märchen.«
    Sibylle lächelte halb wehmütig und halb spöttisch, ich hatte mich ja auch reichlich geschwollen ausgedrückt.
    »Und außerdem«, fuhr ich fort, »ist Claudia bereits mit ihrem Studium fertig, während ich noch überlege, welche Richtung ich einschlagen soll.«
    »Die Universitäten sind wieder geöffnet«, entgegnete Sibylle.
    »Vielleicht studiere ich doch Jura«, antwortete ich. »Schließlich war mein Onkel ein führender Anwalt in meiner Heimatstadt. Ich könnte versuchen, in seine Fußstapfen zu treten.«
    Wir hörten Hänschen und Bongo auf das Haus zukommen.
    »Kalle wäre eigentlich der richtige Mann für deine Firma«, erklärte ich. »Er ist überall zu Hause, findet sich in jeder Situation zurecht – und er kann und will nicht in die Sowjetzone

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