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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Gunda mitgenommen, und ich war von der Winzerin so herzlich empfangen worden wie ihr Neffe. Am Anfang war es mir peinlich gewesen, dann begriff ich, daß sie in mir eine Art Ebenbild des gefallenen Erziehers sah. Und Hans war ja schließlich mein Freund geworden.
    Als wir vor dem Weingut landeten, wurde mir endgültig klar, daß ich in ein vorbereitetes Komplott geraten war. Wir wurden erwartet. Mit feiner Intuition wollte Tarzan eine letzte Schleuse zwischen meiner Heimatstadt und mir installieren.
    Schon auf dem Gang schlossen sich Sibylles Arme um mich. Vor Freude, daß ich wieder da war, hatte sie nasse Augen. Dann schoß Tante Gunda auf mich zu. Zuletzt stupste mich Hänschen an und verlangte volle Aufmerksamkeit.
    »Ich hab' euch was hergerichtet«, sagte die Hausherrin geschäftig. Die fränkische Gastfreundschaft hatte den Krieg überlebt und die Vorratskammern dieses gottgesegneten Landstriches die Not. Es war die Heimkehr eines verlorenen Sohnes, der keine Eltern mehr hatte: Das Kalb wurde trotzdem geschlachtet.
    Captain Stone mußte nach Mainbach weiterfahren. Bongo und ich wurden von Sibylle und ihrer Tante zum Bleiben überredet. Wir saßen lange zusammen, und zur Feier des Tages durfte der Siebenjährige, der seinem Vater aus dem Gesicht geschnitten war, länger aufbleiben. Er hatte die Augen von Hans, die Gesten, seine Hände, sogar schon seine hohe Stirn. Der Junge war unser aller Entzücken, obwohl er sich schon am ersten Abend als ein kleiner Überläufer erwies, offensichtlich fasziniert von Bongos Charme. Er wich ihm nicht mehr von der Seite, war zutraulich wie ein junger Hund. Der Knirps hatte nur Mutter, Großmutter und Tante um sich. Vielleicht war ihm nach einem Mann zumute, und das war Bongo nun wirklich, ein Kerl, der Zuverlässigkeit ausstrahlte. Ich wunderte mich, wie geschickt er mit dem Kleinen umgehen konnte und Hänschen wohl auch mit der Ankündigung kommender Abenteuer im Wasser, im Wald und auf dem Sportplatz für sich gewann. Wir gönnten es dem Jungen, und wir gönnten es auch Bongo, auch wenn wir ein klein wenig eifersüchtig wurden, vor allem unsere Gastgeberin.
    An diesem ersten Abend erfuhr ich, eine knappe Autostunde von Mainbach entfernt, was vor und nach dem Zusammenbruch geschehen war. Das Netz der heiligen Kunigunda, der Trost und Glaube meiner Mutter, hatte tatsächlich sechs Kriegsjahre lang gehalten. Erst in den letzten Monaten waren einige Maschen gerissen. Nach Bombennotwürfen verirrter alliierter Flugzeuge war es am Aschermittwoch, dem 14. Februar 1945, zu einem Luftangriff gekommen. Viele der Kinder, die von Bomben zerrissen wurden, trugen auf der Stirn nach dem Gottesdienst das Aschenkreuz: »Memento, homo, qui es pulvis – Gedenke, o Mensch, daß du Staub bist und wieder zu Staub wirst.« Für vierundneunzig Menschen hatte sich das Bibelwort in Sekunden erfüllt.
    Beim nächsten Luftangriff am 22. Februar waren es schon zweihundertsechzehn Opfer. Die Front war näher gerückt. Von morgens bis abends tummelten sich Jabos am Himmel, die sich auf jede Menschenansammlung auf der Erde stürzten. Sie sprengten die Trauergemeinden bei Beerdigungen. Oft standen die Särge tagelang auf den gepflegten Sandwegen, bis die Verstorbenen bestattet werden konnten.
    Am 13. April war dann das Ende gekommen. Zuvor hatte man Mainbach zum Eckpfeiler einer fiktiven Jura-Festung erklärt und einen Kampfkommandanten ernannt, der als Scharfmacher auftrat, aber seinen Zivilanzug bereits im Gepäck hatte. Er ließ noch zwei »Feiglinge« erschießen und acht Brücken sprengen, während die Amerikaner schon zu beiden Seiten anrückten. Dann stahl er sich davon und überließ die Stadt ihrem Schicksal – und den Plünderern, zu denen auch Frauen von Polizisten und Kinder von Richtern gehörten. Im Tietz-Warenhaus, das zuletzt von Feuerwehrleuten zwecklos mit Wasserschläuchen verteidigt wurde, erbeuteten wild gewordene Bürger so viele Anzugstoffe und Seidenballen, daß Mainbach bis weit in die Nachkriegszeit hinein ein Zentrum des Schwarzhandels wurde.
    Weniger glücklich endete in der Nähe des Bahnhofs der Ansturm der Habgier: Als Plünderer einen Güterwaggon mit Schweißapparaten zu Leibe rückten, flog er, mit Munition beladen, in die Luft und zerfetzte siebzehn Menschen. Mit dem Proviant der bis zuletzt nicht freigegebenen und dann doch ausgeraubten Wehrmachtsverpflegungsmagazine hätte man die Stadt über ein Jahr versorgen können.
    Beim Einrücken der Sieger brannte die

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