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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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über die Stirn. Die Spruchkammer hatte einen Belastungszeugen wie einen Joker aus dem Ärmel gezogen, um zu verhindern, daß Dr. Schütz ebenso davonkäme wie zum Beispiel Oberinspektor Breuer.
    Ich hatte genug.
    Wir verließen den Saal, eine halbe Stunde bevor Dr. Schütz immerhin in die Gruppe III, die der »Minderbelasteten«, eingestuft wurde, womit seiner sofortigen Wiedereinstellung in den Schuldienst ein Riegel vorgeschoben war. Trotzdem brauchte er sich um seine weitere Karriere keine großen Sorgen zu machen. Er war sicher nicht der erste, der die Treppe hinauffallen würde, wenn – wie zu erwarten – die Entnazifizierung endgültig ihren Konkurs erklärte, den noch die nach dem Krieg Geborenen lange und teuer bezahlen müßten.
    »So ein Charakterschwein«, sagte Peter, der Dr. Schütz aus seiner Tarzan-Zeit noch persönlich kannte. Unterwegs griff er sich die »Stars und Stripes«, die Zeitung der US Army. Er lachte, als er die Schlagzeile auf der Titelseite las: »Nazi Murderer Caught.«
    Der Kriegsverbrecher Panofsky war gefaßt, und zwar von der gleichen Dienststelle, die ihn zunächst hatte laufen lassen, aber das stand natürlich nicht im gekürzten Nachdruck der ›Washington Post‹.
    Ich überlegte, ob ich nicht besser von der Juristerei auf den Journalismus umsatteln sollte.
    An einem sonnigen Septembertag erwies Mainbach mit einer zwangsläufigen Verspätung von fast vier Jahren seinem verfolgten Mitbürger Dr. Wolfgang Hartwig die letzte Ehre. Die Damen trugen Trauerkleider, die Herren schwarze Krawatten. Das Ehrengrab war in einem weiten Halbrund entstanden. Wie symbolisch fiel der Schatten eines großen Kreuzes auf die Festversammlung und erinnerte daran, wie tapfer und selbstlos der Verfolgte sein Kreuz auf sich genommen hatte.
    Keiner fehlte, der in der Stadt noch oder wieder Rang und Namen hatte. Zu den Ehrengästen, die sich um die Angehörigen Marie-Luise und Adele Hartwig und mich scharten, gehörten der Erzbischof, der Militärgouverneur, ein honetter US Colonel, begleitet von Captain Peter Stone, der bei amtlichen Anlässen oft als Dolmetscher und Sprecher des Military Government einspringen mußte, und – fast geschlossen – die Stadträte und das Domkapitel.
    Die Gedenkrede hielt der Oberbürgermeister, ein politischer wie persönlicher Freund des hingerichteten Rechtsanwalts. Das Stadtoberhaupt fand schlichte, erschütternde Worte. Der Präsident der Anwaltskammer würdigte die fachlichen Qualitäten meines Onkels sowie seine selbstlose Hilfsbereitschaft. Ein Domkapitular ließ die tiefe Religiosität des Verstorbenen wiedererstehen, den einzigen Trost, den der Einsame gehabt habe. Und ein Sprecher der Verfolgten lobte den Mut und die Unerschrockenheit eines aufrechten Deutschen in entsetzlicher Zeit.
    Die Redner mussten laut sprechen. Es herrschte ein großer Andrang von Menschen, denen es eine Genugtuung war, daß der Verfolgte an würdiger Stätte ein Ehrengrab erhielt, aber auch von anderen. Neben den unvermeidlichen Gaffern und Zaungästen standen nicht wenige, auf die das Bibelwort nach Matthäus 6, 5 zutraf: »Wenn ihr betet, dann tut es nicht wie die Scheinheiligen: Sie stellen sich gerne an den Straßenecken zum Beten auf, damit sie von allen gesehen werden.«
    Viele dieser Opportunisten, wie zum Beispiel Dr. Zapf, der »Hydro«, oder Drexler, der Milchmann, der bislang durch die Maschen der politischen Säuberung geschlüpft war, weil seine Tochter mit einem Offizier der Special Branch schlief, oder Rechtsanwalt Vollhals, der vorzeitig entnazifiziert werden mußte, um Betroffene vor der Spruchkammer verteidigen zu können, versuchten Nutzen aus der Trauerfeier für meinen Onkel zu ziehen.
    Peter Stone und ich hatten damit gerechnet, daß an dem Ehrenbegräbnis auch Unwürdige und Unerwünschte teilnehmen könnten, aber als ich jetzt im Gedränge von über tausend Trauergästen auch Treiber der politischen Hatz auf meinen Onkel erkannte, war ich entschlossen, einen Affront auszulösen. Es war mit Tante Marie-Luise abgesprochen, daß ich als Familiensprecher zuletzt den Dank für die Worte meiner Vorredner formulieren sollte.
    Captain Stone sagte: »Im Auftrag des Herrn Gouverneurs und des Military Government möchte ich meine Genugtuung darüber aussprechen, daß es in dieser Stadt auch Menschen wie Dr. Wolfgang Hartwig gegeben hat. Sie haben bewiesen, daß auch Deutsche sich unter großen Opfern gegen die Barbarei gestellt haben. Ich möchte mich auf diese

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