Heldensabbat
Bannführer.«
»Danke, Stefan. Dein Einsatz ist bewundernswert. Ich werde es an die richtige Adresse weitermelden. In ein paar Monaten bist du Stammführer. Also, Augen auf.« Greifer nickt ihm gönnerhaft zu, streckt den Arm aus. »Heil Hitler, Stefan.«
»Heil Hitler, Bannführer«, erwidert der Junge zackig. Dann zögert er.
»Ist noch was?« fragt Greifer.
»Ja, Bannführer. Du weißt, ich bin Tarzan, ich meine Peter Steinbeil, meinem Mitschüler, im Wort, daß sein Paß ausgestellt wird.«
»Seine Mutter hat ihn doch längst wieder.«
»Tarzan habe ich es versprochen, nicht seiner Mutter.«
Der Bannführer nickt. »Wie macht er sich denn?« fragt er.
»Bestens, Bannführer. Beim Sport sowieso, aber auch im Geländedienst.«
»Und weltanschaulich?«
»Peter ist einfach gut, auf jedem Parkett.«
»Die Entscheidung trifft der Hauptsturmführer Panofsky. Kennst du ihn?«
»Vom Sehen.«
»Prima Kerl«, lobt der Bannführer. »Ich werde ihn noch einmal kräftig in die Rippen stoßen.« Greifer macht ein Gesicht, als versuche er, sich an etwas zu erinnern. »Ach ja«, sagt er dann. »Du kennst doch den Rechtsanwalt Dr. Wolf Hartwig.«
»Das ist mein Onkel«, antwortet der Junge abwartend.
»Ist er auch ein guter Nationalsozialist wie Tarzan?« spottet der Mann mit dem verdickten Augenlid.
»Bannführer«, entgegnet Stefan, »du weißt doch genau wie ich, daß er schwarz ist wie die Nacht.«
»Hauptsturmführer Panofsky hat ihn auf dem Kieker«, erklärt Greifer. »Er ist dir sicher gefällig in Sachen Tarzan, aber vielleicht kannst auch du ihm behilflich sein, verstehst du?«
»Nein«, antwortet Stefan gepresst; er ahnt, was kommen wird.
»Tut mir leid«, beginnt der Bannführer. »Hätt's dir gern erspart, aber wir können uns keine Schludrigkeiten leisten, auch nicht einem leiblichen Onkel gegenüber.« Er sieht Stefan in die Augen. »Du mußt auf ihn aufpassen und, wenn er gegen den Führer schimpft, es genauso melden, wie du dich über deinen Ordinarius beschwert hast.«
»Ich soll den Bruder meines Vaters ausspionieren?« fragt Stefan ungläubig.
»Würdest du für den Führer spionieren?«
»Jawohl, Bannführer.«
»Auch für seine Bewegung?«
»Selbstverständlich, Bannführer.«
»Und was heißt denn schon ausspionieren?« erklärt Greifer. »Ein Nationalsozialist ist immer im Dienst. Und immer an der Front. Keine Sentimentalität, ich hoffe, wir haben uns verstanden, Stefan. Keine Humanitätsduselei aus missverstandener Rücksicht.«
Stefan Hartwig wird an diesem Tag gleich zweimal zur Denunziation verpflichtet. Dr. Hans Faber soll sich hüten, aber Wolf Hartwig ist immerhin ein verdienter Frontoffizier des Ersten Weltkriegs, ausgezeichnet mit dem EK I. Der Fähnleinführer brennt darauf, sich zu bewähren, bei Dr. Faber gewiß, aber seinen eigenen Onkel ausbaldowern, das geht ihm gegen den Strich, auch wenn der Jurist leider immer noch nicht zum Führer gefunden hat.
Am nächsten Tag stenographiert der Primaner vorsichtig mit.
Zunächst übersieht es Dr. Faber. Dann geht er auf Hartwig zu. »Was schreiben Sie denn da?« fragt er leise. »Sie haben doch ein blendendes Gedächtnis.« Der Ordinarius nimmt das Blatt und reißt es durch.
Und ist einmal mehr gewarnt.
Der Waffenstillstand mit Dr. Schütz taugt nicht viel. Seit der Unterredung mit dem Fabrikanten Bertram hat der Direktor kein Wort mit seinem Assessor gesprochen. Er sieht ihn nur mitunter von der Seite an, verkniffen, tückisch, brütend.
Der Ordinarius nimmt sich in den nächsten Wochen gewaltsam zusammen, jedes Wort wägend, jeden Satz zweimal kontrollierend. Er weiß, daß einige seiner Schüler jede politische Anspielung sofort weitergeben würden, weil man sie dazu angestiftet hat. Er steht auf verlorenem Posten, aber er ist entschlossen, ihn zu halten, solange es nur möglich ist. Vielleicht gibt es für ihn später eine Ausweichposition in einem Verlag oder einer Privatschule. Ohnedies werden laufend Reservisten zur Wehrmacht eingezogen. Längst ist eine schleichende Mobilmachung im Gange, und es ist wohl auch für ihn nur eine Frage der Zeit, bis man ihn wieder holen wird.
Mit Sibylle geht er Arm in Arm durch die Höhen und Tiefen einer Liebe auf Sparflamme, himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Romantiker behaupten, die unerfüllte Liebe sei die schönste, aber Hans Faber ist Realist und ein Mann, und das Mädchen will ihn haben, ganz und für immer.
Die Dunkelheit ist ihre Zeit. Tagsüber dürfen sich die
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