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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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ohne Ergebnis eingestellt. »Es ehrt dich, dass du neben Schmähungen auch ab und an ein Lob verteilen kannst.«
    Auch wenn es selten vorkommt. Namakan plagte ein schlechtes Gewissen gegenüber Morritbi, doch er sah sich gezwungen, ihr zu widersprechen. »Lass Nimarisawi alt sein. Und? Was macht das schon? Man kann für jeden von uns hier etwas finden, weshalb er sich besser nicht auf eine lange Reise begeben sollte. Schon gar nicht, wenn am Ende dieser Reise ein toter König steht. Schau nur mich an.« Er zeigte an sich herunter. »Zu kurze Beine. Und du, du mit deinem roten Haar, du fällst überall zu sehr auf. Was, wenn wir uns irgendwann irgendwo einschleichen müssen? Das können wir glatt vergessen.«
    Morritbi wickelte sich eine ihrer Locken um den Finger. »Mein Haar ist dir also zu rot, ja? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mehr auffällt als eine uralte, lahme Elfe, aber wenn du meinst …« Sie stand auf und schritt erhobenen Hauptes zu einer der beiden runden Türen, die von der Kammer abgingen. »Wenn ich die Einzige bin, die sich daran stört, dass uns Nimarisawi begleiten soll, kann ich mich genauso gut gleich aufs Ohr legen.«
    Nachdem die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte und das gedämpfte Rascheln verklungen war, mit dem sich die Hexe in einen der Laubhaufen verkrochen hatte, die den Elfen als Bettstätten dienten, sagte Dalarr: »Da hast du einen ganz schön stacheligen Fisch an der Rute, mein Junge.«
    Namakan zuckte mit den Achseln. »Ich kann ihr schlecht recht geben, wenn ich denke, dass sie im Unrecht ist.«
    »Die Torheit junger Männer …«, murmelte Dalarr und rieb weiter über Blotuwakars Klinge.
    Jetzt erhob sich auch Kjell, gepackt von einer sichtlichen Unruhe. »Was machen wir, wenn sie nicht kommt?«
    »Wer?«, fragte Ammorna.
    »Tschumilal.« Kjell ging vor einer der Bänke auf und ab. »Sie wollte doch meine Verwandlung sehen. Soll ich vielleicht losgehen und sie holen?«
    »Willst du mich holen, obwohl ich schon da bin?« Am Absatz der wie eine Spirale gewundenen Treppe, die in die Kammer hinaufführte, erschien Tschumilal. Die Elfe, die keine Elfe war, hatte Bogen und Köcher abgelegt, was aus ihr gleich eine viel freundlichere Erscheinung machte. »Ist es bald so weit?«
    »O ja.« Kjell legte hastig sein Schwert ab. »O ja.«
    »Wirst du es hier tun?«
    »Nein, nein.« Fahrig wischte sich Kjell übers Gesicht und nickte zu einer der Türen. »Ich ziehe mich lieber da drin aus.«
    Tschumilal ging zur Tür und hielt sie ihm auf. »Wir müssen uns beeilen?«
    Ammorna warf einen Blick zu dem Fenster aus Harz. »Das will ich meinen.« Sie nahm Kjells Käfig und drückte ihn Tschumilal in die Hand. »Dort muss er hinein, sobald es vorbei ist.«
    »Was ist es?« Tschumilal runzelte die Stirn und drehte den Käfig hin und her. »Ein Rattenhaus?«
    »Es ist mein Käfig«, erklärte Kjell. Er trat an ihr vorbei über die Schwelle. »Komm.«
    Tschumilal folgte ihm und zog die Tür hinter ihnen zu.
    »Willst du sie wirklich alleinlassen?«, erkundigte sich Dalarr bei Ammorna. »Er ist kein hässlicher Kerl, und die Kleine hat wahrscheinlich noch nie einen nackten Mann gesehen. Neugier ist der ärgste Feind der Keuschheit. Sagt man das nicht so bei dir und deinen Schwestern?«
    Ammorna, die sich nun endlich für einen Apfel entschieden hatte, biss in das Obst und kaute umständlich. Erst, als sie den Mund wieder leer hatte, antwortete sie Dalarr. »Du hast einen schmutzigen Verstand, alter Wanderer. Und ich kann dich beruhigen: Sie werden nicht die Zeit für irgendwelche Dummheiten haben.«
    Die Schreie! Namakan wurde blass. Gleich gehen die Schreie los. »Ich bin müde«, verabschiedete er sich und huschte zu der Tür, durch die sich Morritbi zuvor zurückgezogen hatte. Er fand die Hexe zu einem warmen Ball auf dem Laub zusammengerollt.
    »Schläfst du?«, flüsterte er.
    Sie rührte sich nicht.
    Er legte sich neben sie, presste vorsichtig die Stirn in ihren Nacken und dämmerte in einen unruhigen Traum hinüber, in dem Dalarr und er die Rollen tauschten. Nun war Namakan der Meister und Dalarr sein Schüler, doch sie gingen nicht der Schmiedekunst nach. Namakan war ein Schlachter, der Dalarr zeigte, wie man das Messer durch die Kehle eines Lamms zu ziehen hatte, damit das Tier schnell ausblutete und sein Blöken möglichst rasch verstummte.

21
    Eine Wahrheit, der man sich selbst stellt, ist oft nicht die, die man mit anderen teilt.
    Aus den Lehren des Alten

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