Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
Vom Netzwerk:
rede wie die Nutho Ausija! Dieses elende Gezwitscher!«, empörte sich Eisarn.
    »Meister?« Namakan sah zu Dalarr, auf dessen Zügen eine Regung zu erkennen war, die er bei jedem anderen großen Menschen sofort für Scham gehalten hätte. »Hast du nicht gesagt, Tegin sei ein Wort aus der Sprache der Elfen?«
    Bevor Dalarr darauf antworten konnte, kam Ammorna an den Tisch spaziert und warf eine übervolle Geldbörse auf den Tisch. »Die Hängematten bleiben uns erspart!«, frohlockte sie. Sie schlug beiläufig Eisarn auf die Finger, der nach der Börse greifen wollte, und zwängte sich neben Dalarr auf die Bank. Dann schien sie zu spüren, dass eine Spannung wie von einem nahenden Gewitter über der Runde lag. »Was ist denn hier los?«
    »Meister …« Er hat mich auch da belogen! Ich weiß es. Namakan musste blinzeln, weil ihm die Augen feucht wurden. Vor Wut. Vor Enttäuschung. Vor der Furcht, dass es nichts mehr gab, worauf er sich mehr verlassen konnte. Nicht einmal das Wort jenes Mannes, den er wie einen Vater liebte. »Meister … Tegin … was heißt das wirklich?«
    »Die Gefiederte sei über mir!« Ammornas Kinn klappte herunter. »Du hast es ihm immer noch nicht gesagt?«
    »Die Wahrheit ist oft schärfer als jede Klinge«, sagte Dalarr, aber seine Worte klangen kraftlos und müde. »Ich wollte nicht, dass du dich zu tief daran schneidest, Namakan.«
    Morritbi griff nach Namakans Hand. »Was meint er?«
    »Das wirst du gleich erfahren«, sagte Eisarn, der seinen Humpen mit beiden Händen umfasst hielt.
    »Was ist mit Kjell und Tschumilal?«, fragte Morritbi. »Sollen die es nicht auch erfahren?«
    »Das brauchen sie nicht.« Dalarr senkte den Kopf. »Sie wissen es beide schon. Er von seiner Amme, sie von ihrer Mutter. Sie wissen, wer ich bin. Was ich bin …«
    »Und was bist du, Meister?«, fragte Namakan erstickt. »Was bei allen Teufeln bist du?«
    Ich bin Dalarr att Situr. Der, den das Talvolk Kowal nennt, den Schmied. Und ich trage noch viele weitere Namen. Einen davon kennt jeder hier am Tisch. Du, Ammorna, Eisarn, Morritbi. Dridd! Wahrscheinlich kennt ihn sogar jeder in diesem Gasthaus. Bilur Imir, der Dunkle Sturm.
    Und doch habe ich nicht all das getan, was man Bilur Imir in den Legenden zuschreibt. Die lange Fehde gegen die Kaiserin der Zimtinseln, die in einer Liebesnacht endete. Das war nicht ich. Sie wurde von einem jungen Seeräuber geführt, dessen wahren Namen die Zeit aus allen Köpfen gefressen hat. Andere Dinge, von denen es heißt, Bilur Imir hätte sie vollbracht, sind nie geschehen. Das Ringen mit der Brennenden Schlange? Eine ersonnene Geschichte, mehr nicht.
    Wie kann das sein, wirst du jetzt denken? Wie kann er hier sitzen und von sich behaupten, ein Held zu sein, über den man zahllose Lieder gedichtet hat? Hat Bilur Imir nicht vor vielen, vielen Sommern sein Leben gegeben, in einer Schlacht, in der er versuchte, die Plage aus der Welt zu merzen? Ist das, was er mir als Wahrheit auftischt, nur der nächste Gang in einem Bankett aus Lügen? Ja und nein. Bilur Imir ist damals gestorben. Ich bin es nicht.
    Viele der Namen, die ich einst trug, sind gestorben. Manche wurden in Stein gemeißelt und sind doch längst verwittert. Manche wurden auf Pergament geschrieben, das vor Hunderten von Sommern zu Staub zerfiel. Und manche habe selbst ich vergessen …
    Ich bin ein Tegin. Und ja, ich habe gelogen, als ich dir sagte, die Kinder des Dunstes hätten dieses Wort erfunden. Das haben sie nicht. Es ist ein Wort aus der Sprache meines eigenen Volkes. Es ist nicht einfach zu übersetzen, weil es alles und nichts bedeutet. Herren, die Knechte sind. Was sollte jemand wie du damit anfangen? Die Menschen von Tristborn haben eine andere Bezeichnung für uns, die dir eher helfen wird. Das Alte Geschlecht. Nicht sehr schmeichelhaft, will man meinen. So in der Art, wie man bei einer hässlichen Frau die Güte ihres Herzens lobt. Das Alt bezieht sich auf zweierlei – darauf, dass es meine Art schon sehr, sehr lange gibt. Und auf die Zahl der Sommer, die die allermeisten von uns gesehen haben.
    Wir sterben nicht. Nicht sehr einfach jedenfalls. Nicht von allein, wie die meisten anderen Kreaturen. Flikka mek! Höre ich mich nicht an wie ein Lügner? Ein Prahler? Begreifst du nun ein bisschen, weshalb ich geschwiegen habe? Wir sterben nicht, es sei denn, man tötet uns. Uns zu töten wiederum … nun, lass dir gesagt sein, dass ein Tegin in der Regel von der Hand eines anderen Tegin den Tod findet,

Weitere Kostenlose Bücher