Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
Vom Netzwerk:
wenn er nicht selbst beschließt, dass es genug mit ihm ist. Auch dafür haben wir unsere eigenen Wege, auf denen nur Geschöpfe wie wir wandeln können.
    Wie kann es sein, dass Geschöpfe wie wir überhaupt existieren? Eine Frage, viele Antworten – wie wenn man von einer Horde Söldner wissen will, wer von ihnen das meiste Blut an der Klinge und den längsten Gondull hat. Eitelkeit. Pure Eitelkeit, doch darin unterscheiden sich Söldner nicht von Gelehrten. Die einen sagen, die Tegin wären aus dem Schweiß der Götter nach der Erschaffung der Welt entstanden, und weil nun einmal selbst der Schweiß eines Gottes für die Ewigkeit ist, wären auch wir für die Ewigkeit. Andere meinen, wir wären Verbannte, Wesen reinen Geistes aus einer unendlich fernen Sphäre, die zur Strafe für ein unaussprechliches Vergehen in Gefängnisse aus Fleisch und Blut gesperrt wurden. Und es gibt welche, die in uns nichts als die Überreste eines gewöhnlichen Stammes aus grauer Vorzeit sehen. Ein Stamm, der erst ein Reich errichtete, das die ganze Welt umspannte, und sich dann in blutigsten Zwisten zerstritt, nachdem unsere Zauberer das Rätsel der Unsterblichkeit entschlüsselt hatten, weil kein Reich unsterbliche Könige verträgt.
    Welcher dieser Mythen ist nun wahr? Ich weiß es nicht. Mein Volk war schon alt, als ich geboren wurde. Aber ich mag den Mythos am liebsten, der von unserer verlorenen Glorie erzählt. Er klingt so, als würde er die größte Gerechtigkeit in sich bergen. Außerdem hat er für mich den Anschein, als hätte ihn einer von uns selbst in Umlauf gebracht. Erinnerst du dich noch, wie ich die Drauhati dafür verunglimpft habe, dass sie all ihre Regeln und Gebote einhalten? Da hat ein Schwein das andere borstig genannt.
    Auch für uns gelten Regeln. Und mehr noch als die Drauhati müssen wir sie befolgen, weil sie sich unserem Einfluss entziehen. Wir können sie nicht brechen, selbst wenn wir es wollten. Herren, die Knechte sind, siehst du? Eine der Auswirkungen dieser Regeln hast du selbst beobachtet. Kanntest du mich daheim nicht nur mit grauem Bart, grauem Haar und Falten, in die du deinen kleinen Finger hättest legen können? Schau mich jetzt an. Die Haut glatt und glatter, das Haar pechschwarz. So wirkt das Logmal Rata, das Gesetz des Unendlichen Weges. Wir müssen weiterziehen, immer weiter. Es gibt für uns keinen Stillstand. Bleiben wir stehen, altert unser Leib. Nehmen wir unseren Weg wieder auf, erhalten wir unsere Jugend zurück.
    Das Logmal Rata, wer immer es auch so eingerichtet haben mag, ist ein weises Gesetz. Nicht, weil es uns auf ewig jung macht, wenn wir uns ihm beugen. Es hindert uns daran, einen Wangirr Falura Morna, einen Garten der Welken Blüten, anlegen zu wollen. So heißen die anderen Völker bei uns. Welke Blüten. Für uns erblüht und vergeht ihr in einem Wimpernschlag. Es wäre falsch von uns, uns zu euren Herrschern aufschwingen zu wollen. Falsch und töricht. Eure Leben folgen einem anderen Takt als unsere. Das heißt nicht, dass einige von uns es nicht versucht hätten, euch unseren Tanz aufzuzwingen. All die Sagen von weisen Königen, die von einer Nacht auf die andere auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Von gefallenen Kriegerfürstinnen, die angeblich in verwunschenen Bergen schlafen. Von großen Heerführern, die zu Feldzügen ins Nirgendwo aufgebrochen sind. Viele von ihnen waren Tegin, und nicht alle sind selbst zur Einsicht gekommen, dass sie keine Dynastien unter euch begründen dürfen. Einige mussten durch ihre Brüder und Schwestern erst dazu gebracht werden, von euch abzulassen. Schmerz lehrt Demut …
    So wie uns das Logmal Rata dazu nötigt, unser Streben nach Macht gegen die Aussicht abzuwägen, die Früchte unseres Einflusses nur in einem schwächlichen, alten Leib auskosten zu können, bewahrt uns ein anderes Gesetz davor, Kinder mit euch zu zeugen. Das Logmal Skirr bestimmt, dass unser Same nur unter unseresgleichen verfängt, und selbst dann nur schwer. Auch das ist gut so. Wir sind nicht frei von Neid und Missgunst, blindem Hass und großem Blutdurst. Gäbe es zu viele von uns … die Welt wäre nur deshalb nicht Asche, weil das Feuer nie verlöschen würde.
    Wir haben gelernt, dass es nur Leid nach sich zieht, wenn wir uns zusammenrotten und zu viel Zeit in unserer eigenen Gesellschaft verbringen. Wir kommen nur einmal alle fünfzig Sommer zusammen. An einem Ort, an den nur wir gehen können. Einen Ort hinter der Welt, in jenen Reichen, in die nur manche

Weitere Kostenlose Bücher