Heldenwinter
einen seiner liebsten Waffenbrüder auf dem Altar von Tristborns Ehre und Fortbestand geopfert hatte – wem schossen da nicht die Tränen der Rührung in die Augen?
Bei der Rückkehr aus dem Süden hatte Fünf abgesehen vom König nur noch zwei Leute vor sich: seinen Vater und dessen jüngeren Bruder, die sich das Schloss der Familie als Wohnstatt teilten. Der stolze Vater lud zu einem Fest, um die Heldentaten Fünfs zu feiern. Selbstverständlich war auch Arvid in die Gästeliste aufgenommen worden, doch er zog es vor, der Feier fernzubleiben. Er schickte Waldur an seiner Statt. Waldur bat den Holzkopf, ihn zu begleiten, und weil der Holzkopf eben ein Holzkopf war und Waldur für seinen allerbesten Freund und Kameraden hielt, willigte er gerne ein. Am Schloss angekommen, zeigte sich der Holzkopf dann ein wenig verwundert darüber, was Waldur als Nächstes von ihm verlangte.
»Warte hier vor dem Tor auf mich.«
»Wieso?«, fragte der Holzkopf.
»Es wird nicht lange dauern, und du wirst es nicht bereuen«, antwortete Waldur, zwinkerte seinem Freund zu und ließ ihn danach einfach stehen.
Der Holzkopf wartete, weil er dachte, Waldur hätte einen harmlosen Streich ausgeheckt, den er Fünf spielen wollte. Das wäre dem Holzkopf sogar ganz recht gewesen. Fünf war sein Erfolg zu Kopf gestiegen, und wo er früher noch viel von »wir« und »dem Volk« geredet hatte, sagte er in letzter Zeit verdächtig oft »ich« und »mein Reich«. Eine kleine Bloßstellung vor seiner Familie konnte da nicht schaden. Der Holzkopf rechnete mit einem ins Gesicht geschütteten Kelch Wein oder gar einem durch einen geschickten Hieb aufgeschlitzten Hosenboden. Mehr nicht.
Der Holzkopf hatte sich leider verrechnet. Bald gellten Schreie aus dem Schloss, und in den Fenstern leuchtete ein rotes Glühen. Dann schlugen auch schon die Flammen aus den Mauern hervor. Der Holzkopf sah verdattert zu, wie sich brennende Menschen in die Tiefe stürzten oder kreischend über den Hof rannten. Und er sah, wie das Feuer weiter nach diesen blind umhertaumelnden menschlichen Fackeln zu greifen schien, als besäße es eine Vielzahl langer Arme wie ein lodernder Krake. Und er hörte das Brüllen der unheimlichen Kreatur, deren Macht soeben entfesselt worden war. Es war wie das Fauchen und Knistern, wenn man einen großen Haufen Reisig anzündet, nur viel, viel lauter. Viel, viel hungriger. Der Feuergeist, der im Schloss wütete, war in so heißem Zorn entbrannt, dass die Wände barsten. Fetzen brennender Wandteppiche, kokelnde Tische und Stühle aus der großen Halle, halbgeschmolzene Krüge und Teller und glimmende Gliedmaßen wurden in den Nachthimmel emporgeschleudert. Als rauchender Regen gingen die Trümmer um den Holzkopf herum nieder.
Aus der feurigen Hölle eilte ihm Waldur entgegen, lachend und unversehrt.
»Was hast du getan?«, fragte der Holzkopf, den widerwärtig köstlichen Geruch von gut durchgegartem Fleisch in der Nase.
»Nur das, was du bisher doch auch so eifrig getan hast«, entgegnete ihm Waldur, der sich unbedarft auf sein Pferd schwang, als käme er nicht gerade von einem Massaker, sondern aus einem Hurenhaus. »Ich räume Arvid auf seinem Weg zum Thron den Schutt und den Unrat aus dem Weg. Ich mag ihn, und er hat mich höflich darum gebeten. Kommst du?«
Und Waldur gab seinem Pferd die Sporen. Und weißt du, was das Fürchterlichste ist? Der Holzkopf folgte ihm nach. Weil er dem tobenden Feuergeist entkommen wollte. Weil er daran glaubte, dass in dem neuen Arvid, der diesen feigen Verrat begangen hatte, noch immer ein Teil des alten Arvid steckte, der einst vorgegeben hatte, Unrechtes zu tun, um noch größerem Unrecht Einhalt zu gebieten. Und weil der Holzkopf meinte, Arvids Antrieb für diese Verfehlung zu kennen. Fünf hatte Arvid in ein willfähriges Werkzeug seiner eigenen Machtgier verwandeln wollen, und nun hatte dieses Werkzeug sich gegen seinen Meister gewandt. Wer ein Messer zu lange schärft, schneidet sich irgendwann daran, und wer eine Esse zu lange befeuert, verbrennt sich an ihr. Arvid hatte nur Rache geübt, so dachte der Holzkopf, und wenn Arvid nach Gubbes nahendem Tod erst einmal auf dem Thron saß, würde er kein schlechterer König sein als viele andere vor ihm. Vielleicht sogar ein besserer.
Dalarr verstummte und warf einen Ast ins Feuer.
»Ich verstehe es immer noch nicht«, sagte Namakan. »Wieso hat der Holzkopf gedacht, ein feiger Mörder wie Arvid könnte ein guter König werden?«
»Das würde mich
Weitere Kostenlose Bücher