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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Bar Gripir könnten jederzeit zurückkehren. Und ihr wollt nicht so enden wie die Holzfäller, oder?«
    Namakan schüttelte den Kopf.
    »Gut«, brummte Dalarr zufrieden. »Die waren nämlich nicht so schlau. Ich verwette meinen Hintern darauf, dass einer von ihnen nachts allein zum Kacken raus ist und die anderen blöd genug waren, ihm nachzulaufen, als die Bar Gripir über ihn hergefallen sind. Drecksbiester.«
    Als wollte sie Dalarr versichern, dass sie die von ihm gesetzte Frist bis zu einem Aufklaren ihres Verstands nicht voll ausreizen würde, fragte die Rothaarige: »Redest du von den Klauenschatten?«
    »So heißen die Bar Gripir also bei euch Waldleuten«, entgegnete Dalarr und begann, seine Rüstung abzulegen. »Wie poetisch.« Er zeigte wieder auf den Topf. »Denkt daran: Wenn’s euch zwackt, nur da rein.«
    Nachdem er sich seines Panzers entledigt hatte, schob Dalarr den Tisch vor die Tür und stellte ihn dort hochkant, um den Eingang zu verrammeln. Danach legte er Holz im Ofen nach und verkroch sich anschließend in eines der Betten. »Macht mir keine Dummheiten«, murmelte er beim Einrollen in die Pelze.
    Namakan mummelte sich fester in seinen Pelz, streckte sich aus und drehte das Gesicht zur Wand. Er tut so, als wäre nichts geschehen. Als wäre alles wie immer. Für ihn stimmt das ja auch. Er hat die Wahrheit gekannt, all die Sommer. Er kann nicht wissen, wie sich das für mich anfühlt. Nichts ist mehr sicher. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Vor drei Tagen war ich der Lehrling eines Schmieds. Vor drei Tagen hatte ich eine Familie. Und jetzt? Was bin ich jetzt? Ein rachsüchtiges Findelkind, ein einsamer Streuner. Ein …
    »Was?«, entfuhr es ihm, als er spürte, wie sich jemand neben ihn legte und zu ihm unter den Pelz kroch.
    »Leise. Der Alte schläft«, wisperte die Rothaarige tadelnd.
    »Was machst du da?« Namakan hätte sich gern auf die andere Seite gewälzt, um ihr ins Gesicht zu sehen. Dafür war es bereits zu spät: Sie hatte sich schon so dicht an ihn gedrängt, dass ihre Brüste gegen seinen Rücken drückten. Eines ihrer Beine schob sich quer über seine Hüfte, und wenn er nicht so verdattert über die jähe Nähe gewesen wäre, hätte sich sein Gondull gewiss erfreut darüber gezeigt. Sie mochte dürr und ihre Nase lang sein, aber sie war das erste Mädchen, das ein Bett mit ihm teilte und keines seiner Geschwister war. »Was soll das?«
    »Ich will dich wärmen«, erklärte sie flüsternd. »Du bist traurig wegen der Geschichte. Das habe ich nun verstanden. Daran kann ich nichts ändern. Doch du sollst wenigstens nicht frieren.«
    »Danke.«
    »Sch, sch«, zischelte es an seinem Ohr. »Nicht reden. Schlafen.«
    Er hätte ihr den Gefallen gern getan, doch Namakan lag in dieser Nacht noch lange wach und lauschte ihrem Atem.

13
    Der König ist stets mehr als ein Mensch.
    Er ist sein fleischgewordenes Reich höchstselbst, ein greifbarer Ausdruck all dessen, was auf seinem Land gedeiht. Leidet der König, so leidet das Reich, und leidet das Reich, so leidet der König.
    Aus den Geboten weiser Herrschaft
    Am nächsten Morgen brauchten Namakan und Dalarr die Rothaarige nicht länger an der Hand zu führen. Sie folgte ihnen bereitwillig und lief mal ein paar Schritte voraus, mal ein paar hinterher, als wäre sie ein zutrauliches Waldgeschöpf, das sich aus einer Laune heraus entschlossen hatte, zwei Wanderer ein Stück des Wegs zu begleiten.
    Das erste Stück dieses Wegs führte die breite Schneise entlang, die die Holzfäller hinter ihrer Hütte in den Schwarzen Hain geschlagen hatten. Bald ragte neben einem murmelnden Bachlauf, dessen Wasser in der Kälte dampfte, ein Stapel Baumstämme auf, der von dem Fleiß der toten Männer kündete.
    Die Miene der Rothaarigen verfinsterte sich bei diesem Anblick, und sie spie geräuschvoll aus.
    Ist das das gleiche Mädchen, das sich gestern Nacht so sanft an mich geschmiegt hat?, wunderte sich Namakan, doch es war eine andere Frage, mit der er sich laut an seinen Meister wandte. »Wie holen sie das Holz von hier weg, um diese vielen Schiffe und Wälle zu bauen?«
    Dalarr antwortete, ohne innezuhalten. Der schwarze Pelz von einem der Betten in der Hütte, den er sich als Ersatz für seinen zerschnittenen Umhang übergeworfen hatte, wippte schwer bei jedem seiner Schritte. »Ich vermute, es wird getreidelt.«
    »Getreidelt?«
    »Ist es nicht so?«, erkundigte sich Dalarr bei ihrer Begleiterin.
    »So ist es. Sie laden das Holz auf flache Kähne in

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