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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Klauenschatten drehte blitzschnell seinen erstaunlich langen Hals und biss nach der Quelle des Schmerzes in seinem Rücken. Keinen Fingerbreit vor Namakans Gesicht klackten zwei Reihen Reißzähne aufeinander, und aus dem Maul des Ungetüms schlug ihm grässlichste Fäulnis entgegen. Aus dem dreieckigen Schädel funkelten ihn die riesigen Augen des Klauenschattens an. Das Tier richtete einen Kamm aus stacheligen Borsten auf, der vom Scheitel das Rückgrat hinunter bis fast zu der Stelle reichte, in die sich Namakans Dolch gegraben hatte. Schlangengleich ruckte der Hals des Tiers zurück, um einen neuen Biss anzusetzen.
    Noch mal verfehlt er mich nicht!
    Die Bestie brachte ihren Angriff nie zu Ende. Dicht neben Namakans Ohr schob sich plötzlich die blutverschmierte Spitze eines Schwerts aus dem Pelz, und der Klauenschatten stieß ein rasselndes Winseln aus, statt Namakans Kopf zwischen seinen Kiefern zu zermalmen.
    Der Meister!
    Der Anblick der Schwertspitze, die nun auf- und abfahrend wie eine winzige Säge seitlich durch den Rumpf des Klauenschattens wanderte, stachelte Namakans Mut an. Er stemmte die nackten Füße in den Schnee und riss seinen Dolch mit aller Macht nach unten. Der Schnitt im Rücken der Bestie begann, an den Rändern aufzuklaffen und dampfendes Fleisch freizulegen.
    Es platschte, als würde eine Handvoll nasser Tücher auf einen Stein geworfen. Zu dem scharfen Gestank des Pelzes gesellte sich eine widerlich säuerliche Note. Die Schwertspitze stieß knirschend auf einen harten Widerstand.
    In grauenhafter und zugleich erleichternder Deutlichkeit spürte Namakan, wie der gesamte Körper des Klauenschattens unterhalb der Schwertspitze von einem Augenblick zum nächsten erschlaffte. Dafür hämmerte das kreischende Geschöpf umso wilder mit den Pranken auf den unter ihm begrabenen Dalarr ein. Zum ersten Mal sah Namakan die gebogenen Klauen, die diesen Wesen ihren Namen gaben. Sein Herz setzte einen Schlag aus.
    Eine überraschende Empfindung löste seine Aufmerksamkeit von den wirbelnden Klauen: Der Schneematsch unter seinen Füßen schmolz unter einer heißen Flut. Namakan drohte auf der rutschigen Masse auszugleiten, und um nicht endgültig die Balance zu verlieren, verlagerte er sein ganzes Gewicht nach vorn, auf seine Arme und auf seine Hände, die den Dolchgriff umklammert hielten. Mit jedem neuen Aufbäumen des Klauenschattens wuchs die klaffende, dampfende Wunde. Namakans Arme wurden bis über die Ellenbeugen in Blut gebadet, während die gegen Dalarr gerichteten Klauenhiebe nach und nach schwächer wurden.
    Schließlich wurde die Bestie irgendwann von einem wilden Zucken geschüttelt. Sie gab ein letztes, gurgelndes Knurren von sich, dann brach sie unversehens zusammen. Namakan sank erschöpft auf sie nieder, nur um sofort wieder aufzuspringen, da er ein Schieben und Drücken unter sich spürte.
    »Meister«, keuchte er. »Meister.«
    Von irgendwo hinter sich hörte er sattes Klatschen und angestrengtes Stöhnen. Er achtete nicht weiter darauf. Er musste wissen, wie es Dalarr ging. Er wankte zwei Schritte nach vorn, packte den langen Hals des toten Klauenschattens und zog an dem Kadaver.
    Ächzend wühlte sich Dalarr unter der Last hervor und nutzte Swiputir als Stütze, um sich auf die Knie zu stemmen. Er wirkte wie ein Dämon aus den finstersten Unterwelten: Dampf stieg von ihm auf, das Haar klebte ihm blutig am Schädel, und das glitschige Gedärm des Tiers, dem er so mühsam den Bauch aufgeschlitzt hatte, hing ihm von Armen und Schultern.
    »Bist du verletzt?«, fragte Namakan.
    Dalarr schüttelte den Kopf und schlug sich mit der Faust schwach vor seinen Brustpanzer. »Dem Skaldat sei Dank. Hilf mir auf.«
    Dalarrs ausgestreckter Arm mit den besudelten Schienen fühlte sich schlüpfriger an als eine Bachforelle, aber Namakan gelang es, seinen Meister auf die Füße zu ziehen.
    Dalarr schüttelte die Eingeweide von sich ab und schaute in Richtung des Wagens. »Hüte dich vor den Krallen der Nebelkrähen«, murmelte er.
    Die Frau in den schwarzen Roben drosch mit ihrem Stab beharrlich auf einen Klauenschatten zu ihren Füßen ein. Das Tier regte sich nicht mehr. Angesichts der Tatsache, dass auf seinem Hals nur noch ein zu Brei geschlagener Klumpen anstelle eines Kopfes saß, war das keine sonderlich große Überraschung.
    Namakans Verblüffung erwuchs aus einer anderen Frage. Wie hat sie dieses Ungetüm ganz allein besiegt?
    Ein blutiger Fleck an der Seitenwand des Wagens, als wäre ein

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