Heldenzorn: Roman (German Edition)
Feuerwerkern herumtreibst?«
»Vielleicht«, entgegnete Rukabo gedehnt.
Teriasch winkte ab. »Wenn Feuerstaub nicht klebt wie Leim, brauchst du dir doch darüber nicht den Kopf zu zerbrechen, sooft wie du dir heute schon die Hände gewaschen hast.«
»Du vergisst, was man unter den Pyromanten sagt: Wer zu unvorsichtig wird, braucht selbst im tiefsten Winter keine Handschuhe mehr.«
Ein Gongschlag hallte durch das Gewölbe, dumpf und nachwabernd. Die Menge stellte fast sofort ihr Murmeln und Raunen ein, und alle Blicke richteten sich nach unten.
Bei aller Sorge um die Arenistas wäre Teriasch ein schlechter Schüler Pukemasus gewesen, hätte ihn das Ritual, das sich nun abspielte, nicht in seinen Bann gezogen: Die Priesterrat aller acht verlogenen Geister, die die Harten Menschen als Götter verehrten, war am Rand der großen Grube versammelt. Dank dem, was Arka ihm über den Glauben im Dominum erzählt hatte, fiel es ihm nicht schwer, zuzuordnen, wer welcher Gottheit diente, obwohl alle Mitglieder des Rates passend zum Anlass ihres Erscheinens im Turm des Feuers in rote Roben gehüllt waren. Ihre Kopfbedeckungen gaben genügend Aufschluss darüber, an wen sie ihre Gebete sandten. So diente etwa die Frau, deren Kopf ein Putz aus schwarzen Federn zierte, Karoka, der Bewahrerin aller Geheimnisse, während der Mann mit der Klingenkrone sicher Bhagarion, dem Schlachtenbringer, sein Herz geweiht hatte. Teriasch entdeckte auch den Pollox dort unten, und wie die anderen hielt er eine große goldene Kanne in den Händen.
»Warum ist der Pollox bei den Priestern?«, flüsterte Teriasch.
Rukabo, der die Hände inzwischen in die Hosentaschen gesteckt hatte, verdrehte die Augen. »Na, weil er den Dominex vertritt, wie es seine Aufgabe ist. Klappe zu. Das ist eine ernste Sache. Nichts für Schwatzhälse.«
Ein weiteres Mal wummerte der Gong. Durch das große Tor zog ein kleiner Tross von Menschen. Bei zehn der elf Gelosten, die paarweise in das Gewölbe voranschritten, handelte es sich um Sklaven, deren schlichte Gewänder mit reichlich Pech bestrichen waren. Ihnen voran ging hoch erhobenen Hauptes eine Frau in einem Kleid, das ganz aus Stroh geflochten war, selbst die Schleppe, in die man Hunderte von getrockneten Blüten eingearbeitet hatte.
Die Gelosten traten auf das Netz. Die metallenen Taue waren so fest gespannt, dass sie unter dem Gewicht der Menschen, die über sie hinweggingen, kaum federten. Als die Opfer die Mitte des Netzes erreicht hatten, verneigten sie sich auf ein Signal der Frau im Strohkleid hin gemeinsam vor dem Priesterrat und dem Pollox. Ihre Gesichter waren zu weit weg, als dass Teriasch hätte erkennen können, welche Regung sie zeigten. Es hatte jedoch alles den Anschein, als gingen sie mit großer Würde in den Tod, denn er bemerkte an ihnen weder gebeugte Rücken noch hängende Schultern.
Einer nach dem anderen traten die Priester und Priesterinnen vor, hoben die goldenen Kannen hoch über ihre Köpfe und gossen ein schwarzes Öl in die Grube. Es war so leise im gesamten Gewölbe, dass man das Plätschern vom Grund der Grube her hören konnte, als das Öl irgendwo tief drunten auf eine noch größere Menge Flüssigkeit traf – vermutlich weiteres Öl, das jenes gewaltige Feuer nährte, welches sonst für die Rauchsäule über der Spitze des Turms sorgte.
Die Gelosten legten sich auf das Netz, die Arme zu den Seiten ausgebreitet, die Gesichter in die Maschen gepresst, wie wenn sie nach dem Behemoth spähten, dessen Hunger es zu stillen galt.
Ein Mann drei Ränge unter Teriasch schluchzte plötzlich auf. »Es ist zu früh! Es ist zu früh!«
Teriasch schnürte es die Kehle zu. Ich bin schuld, dass diese Menschen heute sterben müssen. Ich habe ihnen etwas von ihrem Leben geraubt. Es sind nur wenige Tage, doch das ändert nichts. Wenn ich nicht den Turm der Erde ins Wanken gebracht hätte, wären ihnen diese Tage noch gegeben. Es war eine eigentümliche Form seines Zorns, die in ihm aufwallte – eine Form, wie er sie selten gespürt hatte. Zorn auf sich selbst. Er biss die Zähne zusammen und versuchte verzweifelt, die Wut in sich auf ein anderes Ziel zu lenken. Doch da war nichts, worauf er sie hätte richten können. Je mehr er sie aus sich herauszwang, desto mehr ergoss sie sich in eine taube, blinde Leere. Er keuchte. Er rief stumm nach dem Behemoth, dessen Existenz Schwarzschwinge verleugnet hatte, und erhielt keine Antwort. Der Drache hat nicht gelogen. In diesem Turm ist nichts
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