Heldenzorn: Roman (German Edition)
Teriasch.
»So wie der Behemoth der Erde auch«, mischte sich Rukabo ein. »Ihr Götter, wie ich es früher gehasst habe, Wasserlinsen zu ernten. Da wird einem die Fußhaut ganz weich und schrumpelig. Vom Schlamm zwischen den Zehen mal ganz zu schweigen.« Er schüttelte sich. »Und dieses Viech hat einen Magen, in den ganze Wagenladungen reingehen, weshalb wir eigentlich immer am Ernten waren. Und da wundert sich meine Verwandtschaft, dass ich mir andere Wege gesucht habe, mir die Zeit zu vertreiben.«
»Du lernst es nicht mehr, oder?«, kam es drohend von Carda.
Rukabo schlug sich die Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf.
»Der Behemoth des Windes wird mit Aas gefüttert«, erklärte Nesca. »Es bekommt Fleischabfälle aus den Herrschaftlichen Küchen zu fressen, und alles Vieh, das im Palastbezirk verendet. Die toten Tiere werden über eine eingefettete Rampe in einen Schlitz im Fuß des Turms hineingeschoben, und …«
»Das ist ja schön und gut.« Rukabo wuselte eilig aus Cardas Reichweite. »Aber wie hilft ihm das dabei, in den Turm hineinzugelangen? Soll er etwa diese Rampe hinunterrutschen und durch den Schlitz springen? Wie käme er dann wieder aus dem Turm raus?«
»Nett, dass du fragst.« Carda war am Fenster stehen geblieben und grinste den Halbling breit an. »Kannst du mit einer Armbrust umgehen?«
»Ich hoffe doch sehr, dass das nur dein Knie ist, was mir da so hart in den Rücken stößt«, nuschelte Rukabo in der stinkenden Finsternis.
Es war tatsächlich nur Teriaschs Knie, doch er fand in der beklemmenden, feuchten Enge einfach keine Position, die Rukabos Rücken geschont hätte. Sie lagen halb aufeinander, halb nebeneinander, und Teriasch einziger Trost bestand darin, dass seine Umgebung weich war, abgesehen von dem klobigen Ding, das Rukabo in einem Rucksack transportierte und ihm ständig in den Bauch piekte.
Starna sei mit mir, worauf habe ich mich da nur eingelassen? Kaum hatte er sein stummes Stoßgebet gesprochen, dämmerte Teriasch, dass es unverschämt war, der Ewigen Wanderin zuzumuten, sich zu ihm in den Bauch eines Probaskas zu begeben.
Nachdem er dem wahnwitzigen Unterfangen zugestimmt hatte, hatten sie sich gleich daran gemacht, es in die Tat umzusetzen. Carda hatte einige wichtige Besorgungen unternommen, während Teriasch in seine neue Hose geschlüpft war und sich von Nesca noch einmal genau erklären ließ, was sie vorhatten. Rukabo hatte nur immerzu den Kopf geschüttelt und leise vor sich hin gejammert. Nach ihrer Rückkehr führte Carda sie alle in den Gnadenstall des Dominex, zu jenem weitläufigen, ummauerten Gehege, in dem das tote Probaska lag. Dentilegus gehörte zu jener Sorte von Rüsselschnauze, denen ein rötliches Fell aus der grauen Haut spross. Als er vor dem Kadaver stand, hatte Teriasch das Gefühl vor einem Berg aus rötlichen Borsten zu stehen. Unter dem Vorwand, die Tochter des Dominex wolle sich unbedingt von ihrem alten Spielkameraden verabschieden, wurden die Stallsklaven aus dem Gehege hinauskomplimentiert. Danach ging alles sehr schnell: Carda breitete ein großes Öltuch vor Dentilegus’ rundem Bauch aus, ehe sie nach einer besonders felligen Stelle suchte, die sie mit einem kurzen Schwert und kräftigen Rucken aufschnitt. Gedärm quoll aus dem Spalt wie dicke braun glänzende Würmer. Carda packte es beherzt und zerrte so viel davon aus dem Kadaver heraus, bis sie kniehoch in den Innereien stand. Sie schlug das Öltuch über das Gekröse und schaffte den Ballen zu einem Futterstand, wo sie ausgiebig Heu darüber verteilte.
Teriasch würde sein Lebtag nicht vergessen, wie es sich anfühlte, als er sich durch die Wunde in den Bauch des Probaskas zwängte. Es war wie eine perverse Umkehrung einer Geburt. Aus einer warmen Welt voll Licht kroch er in eine düstere Höhle, in der ihn von allen Seiten kalte, glitschige Wände umschlossen. Noch dazu ging der tote Dentilegus bald mit Zwillingen trächtig, denn Rukabo krabbelte Teriasch tapfer hinterher.
Dann reichte ihnen Carda das, was sie in der nach vergorenen Pflanzen stinkenden Höhle vor dem Ersticken bewahren sollte – dünne Silberröhrchen, die die Scharlachrote Rose aus einer Wasseruhr ausgebaut hatte. Rukabo und Teriasch steckten sie sich in den Mund und suchten gemeinsam nach einer Position, in der ihre Köpfe möglichst dicht an dem klaffenden Spalt waren. Carda nickte, wünschte ihnen viel Glück und begann, die Wunde mit einer gebogenen Ledernadel und einem groben Faden zu
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