Heldenzorn: Roman (German Edition)
unbeeindruckt von dem Einwand. »Und das alljährliche Ritual anlässlich des Thronbesteigungstages des Dominex? Bei dem das Los darüber entscheidet, welcher Bürger und welche zehn Sklaven an welchen Behemoth verfüttert werden, um ihn gefügig zu halten, was ist mit dem? Das veranstaltet der Dominex wohl auch nur zum Spaß, hm?«
Paetus knackte wieder mit den Knöcheln und zischelte ein harsches Wort in seiner Muttersprache.
Gigas ballte die Fäuste. »Kampf?«
»Halt, halt!« Teriasch stand auf. Sein Blick pendelte zwischen Paetus und Rukabo hin und her. »Meinetwegen muss sich niemand die Köpfe einschlagen.«
Paetus erhob sich und nahm Gigas an die Hand. »Ich habe gesagt, was zu sagen ist.« Er führte den Riesen vom Tisch weg und drehte sich noch einmal um. »Vielleicht denkt er darüber nach und kommt zu eigenen Schlüssen.«
»Ja, ja, verzieh dich bloß, nur weil dir niemand recht gibt, du eitler Großvater«, murmelte Rukabo, während er von der Bank stieg und sein Schippchen aus der Schubkarre nahm. »Bereit für die nächste Runde?«, fragte er Teriasch.
Teriasch ging zur Schubkarre. »Woher weißt du so viel über den Dominex und über die Türme und über diese Kreaturen, die er darin gefangen hält?«
»Weil ich im Gegensatz zu dir und diesen beiden Kerlen da drüben aus Kalvakorum komme«, sagte Rukabo. Er richtete die Schippe auf Teriasch, als wäre sie eine Stichwaffe, mit der er zu einem Angriff ansetzte. »Und den Rest, den ich noch zu erzählen hätte, erzähle ich dir, sobald du mir verrätst, wie du die Feles gebändigt hast.«
Teriasch bückte sich nach den Griffen der Schubkarre. »Es tut mir leid, aber das, was Paetus gesagt hat, könnte am Ende die Wahrheit sein.«
»Dass das Feuer durch dich spricht?«
Teriasch nickte.
»Gut.« Rukabo seufzte und ließ die Schippe sinken. »Schon verstanden. Wenn du meinst … es ist ja nicht so, dass wir Freunde wären. Oder dass ich dir gegen Demeto Karis das Leben gerettet hätte. Mit mir kann man es ja machen …« Der Halbling wandte sich ab und stapfte beleidigt davon.
Am Abend fasste sich Teriasch ein Herz und eröffnete Rukabo, weshalb er die Geschichte vom Feuersprechen glaubte. In knappen Worten schilderte er dem Halbling die Umstände, unter denen er zu seiner Sippe gekommen war. Er schaut mich an, als ob ich noch mehr zu erzählen hätte. Aber da ist nicht mehr.
»Ich kann dir nur das sagen, was mir Pukemasu dazu gesagt hat«, verteidigte er sich. »Ich war damals noch zu klein, als dass ich mich genau daran erinnern könnte.«
Sie lagen in dem kleinen Quartier, das sie sich teilten, auf ihren flachen Betten. Die einzigen anderen Möbelstücke waren ein wackliger Schemel und eine schmucklose Kleiderkiste. Silicis gestand nur seinen gewinnbringendsten Kämpfern eine eigene Unterkunft zu, und diese waren auch wesentlich komfortabler eingerichtet. Dropaxvir, der Axtkämpfer mit der pechschwarzen Haut etwa, bewohnte am Ende des Gangs gleich drei miteinander verbundene Zimmer. Rukabo behauptete steif und fest, er hätte sich eines Nachts dort hineingeschlichen, während alles schlief. Ihm zufolge konnte man in Dropaxvirs Gemächern keinen Schritt machen, ohne über einen gepolsterten Diwan zu stolpern, eine zarte Kristallvase mit duftenden Blüten umzustoßen oder sich in einem Spiegel vor seinem eigenen Schatten zu erschrecken.
Während er Teriaschs Worten lauschte, ging Rukabo einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nach: Er pulte sich mithilfe eines Holzsplitters Dreck unter den Fußnägeln hervor. Erstaunlicherweise zielte seine erste Frage nach Teriaschs Eröffnungen nicht auf die Sache mit den Feles ab. »Du bist also ein Schamane?«
»Ja.«
»Und Schamanen sprechen mit Geistern?«
»Ja.«
»Um sie dazu zu bringen, ihnen einen Gefallen zu tun?«
»Unter anderem.«
»Sehr gut.« Rukabo begutachtete kurz den Dreck an seinem Holzsplitter, dann schnippte er ihn von sich, stand auf und vergewisserte sich, dass die Tür zu ihrer Kammer ganz geschlossen war. »Könntest du dann nicht einen Geist beschwören und ihn bitten, mal nachzusehen, ob er dir das Kollare abnehmen kann? Oder mir?«
Daher weht der Wind. Teriasch lächelte müde. »Was ist daraus geworden, dass es sich für dich nicht lohnt, von hier zu fliehen? Dass es nicht lange dauern wird, bis Silicis auf deine Künste als Dieb zurückgreifen möchte und du dann mit ihm über deine Freiheit verhandeln kannst? Von Ehrenmann zu Ehrenmann?«
»Die Geduld des Katers von
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