Heldenzorn: Roman (German Edition)
hob die Keule. »Du verschweigst mir etwas. In Kalvakorum stehen vier Türme, einer für jedes Element. Wer haust im Turm des Feuers?«
»O Menschlein.« Der Drache betrachtete Teriasch einen Moment lang wie eine Stute ihr neugeborenes Fohlen, das bei seinen ersten, ungelenken Schritten umherstolperte. »Da fürchtest du dich so sehr vor Lügen und fällst trotzdem auf die Geschichten herein, die der Mann und sein Sohn erzählen. Von Türmen, in denen man Elemente einsperrt. Von einer Ordnung, die festen Regeln folgt. Von unermesslicher Macht, die dem gehört, der alle Elemente zähmt. Du willst wissen, was du im Turm des Feuers findest? Ich will es dir sagen. Nichts. Da ist niemand. Es gibt nur mich, die Mutter aller Rüssel und den Kala Hantumanas. Und dich. Wenn du Feuer suchst, musst du nur in dich selbst blicken, Menschlein. Dein Zorn ist das einzige Feuer, das zählt. Selbst der Wurm der alles umschlingenden Liebe ist davor zurückgeschreckt. Daher weiß ich doch auch, dass du derjenige bist, auf den ich so lange gewartet habe. Der, der würdig ist, meine Waffe zu führen. Der, der den Sturm aus Feuer entfesseln kann.« Schwarzschwinge hob stolz den Kopf. »Das ist der Handel, den wir beide eingehen müssen, Menschlein. Komm zu mir, nimm meine Waffe und töte das Ungeheuer. Der Lohn wird für uns beide derselbe sein: Freiheit. Was sagst du?«
Als Teriasch aus seinem Traum erwachte, war das Kollare um seinen Hals so kalt, als wäre ein eisiger Wind darüber hinweggefahren.
10
Nicht aus Eitelkeit habe ich die Elemente bezwungen. Ich zähmte sie, um uns allen ein Haus zu errichten, so wie ich den Elementen selbst in ihren Türmen zu Kalvakorum eine Behausung schenkte, die meiner und ihrer Macht würdig ist.
Solange die Türme der Elemente stehen, wird unser Haus nie fallen.
Aus der Großen Verheißung des Subveheros an sein Volk anlässlich der Gründung des Dominums
Ich werde diesen Turm niemals ohne fremde Hilfe betreten können.
Ernüchtert ließ Teriasch seinen Blick über den Turm des Windes schweifen, von oben nach unten, vom girlandengeschmückten, gläsernen Reif an der Spitze bis hinunter zur untersten Stufe des breiten Fußes. Das runde Tor gähnte als gewaltiges dunkles Loch in der Kalksteinfassade. Davor standen gewiss drei Dutzend Soldaten Spalier. Ihre Brustpanzer waren mit kristallenen Verzierungen verkrustet, ihre weißen Umhänge aus einem leichten Stoff, den offenbar selbst das leiseste Lüftchen noch gehörig aufzubauschen vermochte. Die Klingen ihrer Axtlanzen waren aus einem klaren, durchscheinenden Material, von dem Teriasch einfach nicht glauben wollte, dass es sich dabei um messerscharf geschliffenen Diamant handelte. Warum nur musste er bei ihrem Anblick an die Zähne in Schwarzschwinges Schlund denken?
»Bist du nun zufrieden?«, meckerte Rukabo, dem Teriasch nichts von seinem Traum mit dem Drachen erzählt hatte. »Jetzt habe ich dir den Gefallen getan, dir diesen verbockten Turm zu zeigen, also können wir weitergehen, oder?«
»Wieso war das ein Gefallen?« Teriasch eilte seinem kleinen Freund durch das Getümmel nach, das auf dem großen Platz vor dem Turm herrschte. »Als wir vorhin losgegangen sind, hast du noch gemeint, der Turm würde ohnehin auf unserem Weg liegen.«
»Du trägst deine Haare falsch.« Rukabo wich im letzten Moment einem Boten mit einer versiegelten Schriftrolle unter dem Arm aus, der ihn schier über den Haufen gerannt hätte. »Zöpfe sind eigentlich nichts für dich, wenn man dich so reden hört. Hast du mal darüber nachgedacht, dir lieber jedes einzelne Haar auf deinem Kopf zu spalten, wo du doch so geschickt dabei bist? Habe ich überhaupt schon ein Wort des Dankes aus deinem Mund gehört, dass ich uns diesen Freigang verschafft habe? Nein, habe ich nicht. Dabei würden wir heute zur Abwechslung mal wieder nur Scheiße schippen, wenn ich nicht zufällig diese Ahnung gehabt hätte, mich dringend in Silicis’ Schreibstube umsehen zu müssen.«
Teriasch schloss zu Rukabo auf. Ich muss an ihm dranbleiben. Wenn ich ihn verliere, finde ich nie im Leben zur Arena zurück. »Ich weiß genau, was du dort wirklich wolltest, du Lügenmaul. Aber ich habe es dir doch gesagt: Es gibt keinen Schlüssel zu der Kammer, in der Silicis die Flaschen mit den Blutstropfen aufbewahrt. Man bekommt die Tür nur mit dem Ring an seinem Finger auf. Du kannst von Glück reden, dass er es wieder mit seiner Galle hatte, als er dich dort erwischt hat. Sonst hätte er uns
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