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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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nämlich nicht losgeschickt, um Perlen zu kaufen, und du würdest dann auch ganz sicher keinen Stall mehr ausmisten. Er hätte dir die klebrigen Finger abgehackt, das wäre passiert.« Bei dem Gedanken daran, dass sein Besitzer unter Umständen kränker war, als es den Anschein hatte, wurde Teriasch mulmig zumute. »Wie groß waren denn seine Schmerzen?«
    »Bin ich ein Heiler?« Rukabo kniff im Vorbeigehen einem pausbäckigen Mädchen in die Wange, das sich hartnäckig dagegen sträubte, von ihrem Vater durch den umliegenden Wald aus Beinen vorangezogen zu werden. »Es war einerseits so schlimm, dass er nicht selbst gehen konnte, aber andererseits auch wieder nicht so furchtbar, als dass er nicht mehr bei sich gewesen wäre. So ist das eben, wenn einem die Galle keine Ruhe lässt.«
    »Bist du vielleicht doch ein Heiler, wenn du dich so gut mit Gallen auskennst?«, fragte Teriasch.
    »Sehr witzig.« Forsch klopfte sich Rukabo auf den Wanst. »Ich habe nur selbst eine im Bauch, das ist alles.«
    Sie sahen sich gezwungen, kurz anzuhalten, um erst einer Sänfte und danach einem Eselskarren Platz zu machen, und Teriasch nutzte die Gelegenheit, den Knoten in der Kordel um seine Hüfte fester anzuziehen, die ihm als Gürtelersatz für seine knielange Leinenhose diente. »Weißt du, was im Turm des Feuers lebt?«
    Rukabo wäre fast in einen Haufen Probaskaäpfel getreten. »Wo kommt das denn jetzt schon wieder her?«
    »Aus einem Rüsselschnauzenhintern, nehme ich an.«
    »Deine Frage, meine ich.«
    »Das muss die Hitze sein«, log Teriasch. »Man fühlt sich ja, als würde man neben einem lodernden Feuer stehen.«
    »Kalvakorum ist nichts für empfindsame Gemüter, schon gar nicht im Sommer.« Geschickt tänzelte Rukabo um eine dicke Frau herum, die schnaufend einen Korb Früchte auf dem Kopf trug, die noch stacheliger waren als ihre Waden. »Was im Turm des Feuers lebt, willst du wissen? Ein Behemoth. Der Subveheros ist eigens über das Meer gefahren und in einen Vulkankrater hinabgestiegen, um ihn zu fangen. Die einen sagen, es sei ein riesiger roter Vogel, der Feuer speien kann, die anderen schwören, es sei so eine Art Krabbe aus glühendem Stein oder etwas in der Art.«
    »Dann weiß es also niemand genau?«
    »Nein, und das ist auch ganz gut so. Mit Sicherheit wissen es nämlich leider nur die armen Würste, deren Los aus der Trommel gezogen wird, wenn es an der Zeit ist, den Behemoth ihre Opfer zu bringen. Also nicht sofort nach der Ziehung, sondern erst, sobald man sie den Biestern in den Türmen vorstellt, von denen sie dann geschwind gefressen werden.« Mit in die Seiten gestemmten Armen blieb Rukabo stehen und wandte sich zu Teriasch um. »Was bist du nur auf einmal so von den Türmen und ihren Bewohnern besessen? Was hast du vor? Einen Behemoth stehlen und auf ihm zurück in die Steppe reiten, oder wie?«
    »Ich versuche nur, meine neue Heimat besser kennenzulernen«, verteidigte sich Teriasch. »Was ist daran verwerf-lich?«
    »Du willst Kalvakorum kennenlernen?« Rukabo breitete grinsend die Arme aus. »Dann hast du Glück, dass du mit mir unterwegs bist. Diese ganze Stadt ist mein Revier.« Er zog am Saum von Teriaschs Tunika. »Los, komm. Ich will die Perlensache schnell hinter mich bringen.«
    Sie kämpften sich aus dem ärgsten Trubel auf dem Platz und folgten dem Verlauf der hohen Mauer, die den Turm des Windes mit dem Turm der Erde verband. Sie passierten allerlei Bewohner der Stadt, die am Fuß der Mauer ihrem Tagwerk nachgingen: Propheten mit wild wuchernden Bärten und Weissagerinnen in zerschlissenen Roben, die den Passanten unablässig Schilderungen ihrer unheilschwangeren Visionen zuriefen; Gaukler und andere Schausteller, von denen Teriasch den fetten Mann am beeindruckendsten fand, der eine kleine Rotte Pinselohräffchen in recht aufwendige Kostüme gesteckt und den Tieren beigebracht hatte, bedeutende Szenen aus der Geschichte des Dominums nachzuspielen; Bettler und Versehrte, die die Hände – sofern sie noch welche hatten – den Vorbeigehenden in der Hoffnung auf Almosen entgegenreckten; Händler in begehbaren Holzbuden, die alles von Sonnenhüten aus Stroh und Sandalen mit Messingscheiben an den Riemen über Wasserpfeifen aus Rüsselschnauzenzähnen und Broschen in Form verschiedenster Götterantlitze bis hin zu salzigem Gebäck und Tee feilboten …
    Auf der Hälfte der Strecke zwischen den beiden Türmen mussten Teriasch und Rukabo einen Bogen schlagen: Eine breite, säulengesäumte

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