Heldenzorn: Roman (German Edition)
es müssen beileibe keine zwölf oder vierundzwanzig sein«, befand Carda nüchtern. »Das lockt nur Bittsteller und Schaulustige an.«
»Werden dort drüben die Tiere gehalten, die am Thronbesteigungstag kämpfen sollen?« Ihr Ton hatte nichts Spielerisches, sondern war von jener kühlen Distanz, mit der sich die Mächtigen gern an jene richteten, die weit unter ihnen standen.
»So ist es, Hoheit.«
»Ich will sie sehen«, verlangte Nesca.
»Selbstverständlich«, willigte Silicis ohne Umschweife ein. »Und es ist mir eine unvergleichliche Ehre, sie Euch zeigen zu dürfen.«
Nesca drehte den Kopf in Teriaschs Richtung. Sie schien erst jetzt von ihm Notiz zu nehmen, und obwohl er insgeheim und widerwillig auf ein Lächeln von ihr hoffte, blieb ihre Miene starr. »Er soll sie mir zeigen.«
Nur der Anflug eines Runzelns zeigte sich auf Silicis’ Stirn, dann gewann er die Beherrschung zurück. »Natürlich. Euer Wunsch ist mir Befehl.«
Bei den ersten Tieren, die Teriasch Nesca zeigte, stellte sie nur solche Fragen, wie er sie von jedem anderen interessierten Besucher auch erwartet hätte. Wäre Carda nicht gewesen, die ihrer Schutzbefohlenen nie mehr als einen oder zwei Schritte von der Seite wich, und hätte Silicis nicht eine ungewohnte, unterwürfige Gefasstheit an den Tag gelegt, wäre Teriasch versucht gewesen, zu vergessen, wer Nesca war. So jedoch ging ihm das Mädchen nicht mehr aus dem Sinn, das an dem Schleim erstickt war, nachdem das Kollare seine grausige Zaubermacht entfesselt hatte. Es ist nicht ihre Schuld . Sie hat die Flasche nicht zerbrochen, und sie ist auch nicht die Herrscherin der Harten Menschen, bettelte die eine Stimme in ihm immerzu. Die andere, zornigere hielt unbeirrt dagegen: Sie hat doch sicher das Ohr ihres Vaters. Wie kann sie es dann zulassen, dass so viele in Unfreiheit leben müssen? Warum bringt sie ihn nicht dazu, seine Wege der Herrschaft zu überdenken. Eine dritte, ruhigere empfahl ihm: Beantworte einfach ihre Fragen. Sie regt dich nur deshalb so auf, weil du in ihr etwas siehst, was sie nicht ist – ein Kind der grünen Weite, das es unter die Harten Menschen verschlagen hat. Zu seinem eigenen Erstaunen gelang es ihm irgendwie, dieser Stimme das meiste Vertrauen zu schenken und sich auf das zu konzentrieren, was Nesca von ihm wissen wollte.
»Wie gefährlich ist das Gift, das er in seinem Stachel trägt?«, fragte sie, als sie vor der ummauerten Grube im großen Stall standen, an deren Grund der Tausendfußskorpion mit den Fangscheren klackte.
»Ein Stich reicht aus, um ein Probaska zu töten«, gab Teriasch wieder, was er von Paetus gelernt hatte, aus dessen ferner Heimat am Weltenwall das garstige Kriechtier stammte.
»Manchmal braucht es auch zwei«, ergänzte Silicis. »Wenn es ein besonders großes Probaska ist.«
»Und da soll noch mal einer sagen, es käme nicht auf die Größe an«, gluckste Rukabo und fing sich einen strafenden Blick von Carda ein.
Vor der Behausung des Klauenbärs angekommen, betrachtete Nesca lange den großen, pelzigen Ball, zu dem sich der Räuber in einem Nest aus Stroh zusammengerollt hatte. »Ich habe bei Perkurio Venator gelesen, das sei eine der wildesten Kreaturen, auf die man in den Steinernen Forsten stoßen kann. Wie bekommt man sie so ruhig?«
»Man gibt ihnen Starkbier zu trinken«, sagte Teriasch.
»Beneidenswert«, seufzte Carda.
»Bereust du etwa deine Schwüre der Enthaltsamkeit?«, fragte Rukabo, ohne dass es ihm gelang, die Gehässigkeit dahinter ganz zu verbergen.
»Keiner meiner Schwüre verbietet es mir, aufmüpfige Sklaven zu züchtigen«, entgegnete die Scharlachrote Rose lapidar, und von da an hielt Rukabo gebührenden Abstand zu ihr.
Erst vor dem Verschlag, in dem das einzige Pferd in den gesamten Stallungen stand, tat Nesca eine Äußerung, die einem stillen Beobachter womöglich verraten hätte, dass Teriasch und sie einander schon einmal begegnet waren. Sie musterte erst den Schimmelhengst, der angesichts der vielen Besucher die Ohren anlegte und mit den Hufen zu scharren begann, dann Teriasch mit demselben prüfenden Blick. »Ein wunderschönes Geschöpf. Bist du ihn schon einmal geritten, Häuptling Teriasch von den Schwarzen Pfeilen?«, fragte sie schließlich.
»Nivalis duldet keinen Menschen auf seinem Rücken.« Für einen winzigen Moment gestattete Teriasch der zornigen Stimme in sich, die ruhige niederzuschreien. »Er hat nicht alle Freiheit aufgegeben, auch wenn er ein Sklave ist.«
»Ein
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