Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
Vom Netzwerk:
sich schützend vor Nesca. Er konnte nicht sagen, warum sein Zorn sich nun Bahn brach. Weil der Mann mit der kleinen Arkakrux, der sich im Misthaufen unter einer Schicht Dung getarnt und auf die Tochter des Dominex angelegt hatte, Nesca das Leben nehmen wollte? Oder weil dieser Mann es wagte, das zu tun, was Teriasch lieber selbst tun wollte, wenn die richtige Zeit dafür gekommen war? Weil er ihm seine Beute streitig machte?
    Letztlich spielte all das keine Rolle. Teriaschs Zorn suchte sich das bereitwilligste Gefäß, das sich ihm anbot. Die Echse schnellte auf den Attentäter zu, und ihre Tarnung fiel von ihr ab. Es war ein herrliches Tier, das Teriasch an seinen Drachentraum erinnerte – schwarz schillernde Schuppen, eine lange, flache Schnauze voller Zähne, kalte Augen. Ihre Beute kam nicht dazu, einen Schuss abzugeben. Zu rasch war die Echse heran. Ihre Kiefer schlossen sich um den Kopf des Mannes, ihre Krallen schlugen in seinen Rücken.
    Teriasch spürte nur wie beiläufig die Hitze seines Kollare und die Wärme von Nescas Haut, deren Handgelenk er weiter gepackt hielt. Hörte nur gedämpft den erschrockenen Schrei aus Rukabos Kehle, das jubelnde »Schön! Schön!« des Riesen.
    Ein greller Blitz und ein ohrenbetäubender Donnerschlag schienen zusammenzufallen, als die Echse und ihre Beute gemeinsam vergingen, zerfetzt zu blutigen Klumpen und rauchenden Brocken, die klatschend auf das Pflaster prasselten. Weißer Qualm wuchs als bizarrer Pilz in den Himmel. Am Rand des schwarzen Kraters im Misthaufen, wo eben noch das Raubtier über den Menschen hergefallen war, züngelten Flämmchen.
    Ein hohes Pfeifen ließ Teriasch wild den Kopf schütteln, und er fühlte seinen Zorn ermatten, weil es keinen Sinn hatte, ihn gegen die grausigen Überbleibsel eines ausgelöschten Ziels zu wenden.
    »Bumm!« Gigas hielt sich die Ohren zu. »Bumm!«
    »War das die Echse?« Silicis blinzelte nur immerzu. »Hat die Echse ihn so in Stücke gerissen?«
    »Nein.« Rukabo schnupperte. »Riecht mal.«
    Teriasch nahm einen schwachen, beißenden Gestank wahr, der ihn in der Nase kitzelte. Woher kenne ich diesen Geruch? Woher kenne ich diese Mischung? Blut, verbranntes Fleisch und … Er hielt den Atem an. Dieser Geruch zog über die Steppe, als ich das Lied für Dokescha gesungen habe. Nach dem Kampf an der Arx. Nachdem die Echsenreiter Feuer vom Himmel regnen ließen …
    »Sprengpulver.« Rukabo streckte die Zunge aus dem Mund, zog sie wieder zurück, schmatzte wie ein Koch, der eine Suppe abschmeckte, und spie aus. »Tausend zu eins. Sprengpulver. So wahr ich noch nie Schuhe anhatte.«
    Teriasch fühlte etwas Kaltes an der Hand, mit der er Nesca festhielt.
    »Du kannst mich jetzt loslassen«, sagte sie, die Klinge ihres Messers mit gerade so viel Kraft an seine Knöchel gepresst, dass sie nicht in die Haut schnitt.
    »Ist das dein Dank?«
    »Wofür?«
    »Für dein Leben.« Er lockerte den Griff um ihr Handgelenk.
    Lächelnd hob sie das Messer von seinem Fleisch. »Hattest du dir etwa mehr versprochen, Teriasch von den Schwarzen Pfeilen?«

13

     
Wäre ich aufgefordert, eine Wahl zwischen
der Freiheit und der Liebe zu treffen, so fiele sie
immer auf die Liebe. Denn ewige Freiheit
bleibt letztlich immer flüchtige Illusion,
während die Fesseln, die uns tiefste Liebe anlegt,
ewig währen.
Aus den erbaulichen Schriften des Pollox Kontentio Mediastrinos
     
    Als Julanesca einen ihrer Sänftenträger losschickte, den Pollox herbeizurufen, richtete sich Teriasch darauf ein, bald einem bösartigen Dämon gegenüberzutreten, der nur aus purer Niedertracht die Gestalt eines Menschen angenommen hatte. Der Mann, der dann aber in Silicis’ Schreibstube erschien – begleitet von zwei Gardisten mit Löwenhelmen und einer kahlköpfigen Frau, die einen ähnlichen Panzer trug wie Carda –, entsprach nicht seinen düsteren Erwartungen. Er hatte weiche Züge, mit vielen Fältchen um Mund und Augen, die verrieten, dass er oft und gerne lachte, und seine Nase war für die eines Harten Menschen auffällig klein. Teriasch erkannte nur zwei strenge Dinge an ihm: den Scheitel, in dem er sein graues, öliges Haar zur Seite gekämmt hatte, und den starren Faltenwurf des kurzen roten Umhangs, der nur eine seiner Schultern bedeckte und über und über mit silbernen Symbolen von Werkzeugen bestickt war – Hämmer, Sägen, Wasserwaagen, Zirkel, Zangen, Feilen …
    Kaum hatte der Pollox einen Fuß über die Schwelle der Stube gesetzt, eilte er zu dem

Weitere Kostenlose Bücher