Heldin wider Willen
diese Meuterei vorab geplant gewesen sein muss.«
Esmay blickte auf. »Selbst heute noch?«
»Ja. Ihr Argument lautet: Falls Hearne sich schon vorher zum Verrat entschlossen hatte, hätte sie ihre Anhänger auf
Schlüsselpositionen gesetzt, und es wäre unmöglich gewesen, das Schiff zu übernehmen, ohne es entscheidend zu
beschädigen.«
»Oh.« Esmay fiel nichts weiter ein. Falls man das nach allen Untersuchungen und dem Verfahren vor dem Kriegsgericht
immer noch glauben wollte, dann, fand sie, konnte sie diese Leute nicht mehr vom Gegenteil überzeugen.
»Die Flotte steckt zurzeit in einer schwierigen Lage … Die Regierung im Umbruch und all diese Skandale … Ich vermute, Sie haben noch nicht viel von Lepescu gehört?« Pitak blickte auf ihr Tischdisplay, wich dem Blickkontakt auf eine Art aus, hinter der, wie Esmay bemerkte, Absicht stecken musste.
»Ein paar Gerüchte.«
»Naja. Es waren mehr als nur Gerüchte … Das heißt, ich
kenne jemanden, der Bescheid wusste – die mehr wusste, als ihr lieb war. Admiral Lepescu liebte den Krieg und die Jagd, und das aus denselben Gründen.«
»Oh?«
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»Er fand dabei Gelegenheit, Menschen umzubringen.« Pitaks Ton war kalt. »Das heißt, er machte Jagd auf Menschen, und Ihr Commander Serrano erwischte ihn dabei und erschoss ihn. Ein Resultat, das mir recht ist, aber nicht jedem.«
»War er Agent der Benignität?«
Pitak schien überrascht. »Nicht, dass es irgendjemand
bemerkt hätte. Dieses Gerücht habe ich noch nie gehört. Wie kommen Sie darauf?«
»Naja … Ich habe von Commander Garrivay gehört –der den
Befehl führte über …«
»Ja, ja, die nach Xavier entsandte Streitmacht. So vergesslich bin ich nicht, Suiza!«
»Verzeihung, Sir. Jedenfalls habe ich gehört, er hätte mal unter Lepescu gedient. Und Garrivay war Agent der Benignität
… oder zumindest ein von ihr bezahlter Verräter.«
»Hmm. Vergessen Sie nicht, dass auch auf unserem Schiff
Offiziere sind, die früher einmal unter Lepescu gedient haben.
Früh genug, um nicht von Serrano erwischt zu werden, aber …
Womöglich ist das kein gesunder Stoff für Spekulationen, ob er nun ein Agent war oder nicht.«
»Nein, Sir. Er ist ohnehin tot, also kommt es nicht mehr darauf an.« Kaum hatte sie das gesagt, wünschte sich Esmay schon, sie hätte es heruntergeschluckt; Pitaks Gesicht sprach Bände. Es kam darauf an, und sei es nur für die Toten, und in Anbetracht von Pitaks Miene auch für einige der Lebenden.
Wahrscheinlich auch für Heris Serrano. »Verzeihung«, sagte Esmay. »Das war dumm …»
»Ahm. Seien Sie nur vorsichtig, Lieutenant.«
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»Sir.«
Da sie sich auf keinen weiteren öffentlichen Auftritt vorbereiten musste, suchte sie nach Dienstschluss das Trainingszentrum auf.
Sie hatte einige ihrer regelmäßigen Übungsstunden verpasst.
Der Fitnessraum war zu dieser Zeit überfüllt, aber fast sofort wurde eines der Geräte frei, und der Jig, der an der Wand gelehnt und darauf gewartet hatte, gab Esmay mit einem Wink zu verstehen, dass sie Vortritt genoss. »Nur zu, Lieutenant. Ich nehme lieber einen der Pferderobots.«
Esmay stieg auf das Gerät und stellte es für ihr übliches Programm ein. Sie spürte schon seit einiger Zeit die lautlose Konkurrenz darum, das Trainingsgerät neben ihr zu benutzen, den Eifer, sie in Wandballteams aufzunehmen – trotz der
Gleichgültigkeit, mit der sie dieses Spiel spielte –, sowie die kleinen Gunstbeweise, die beiläufig angeboten wurden. Sie vermutete, dass sich all das mit der Zeit legen würde, sobald sich ihr so genannter Ruhm legte. Sie hatte noch nie wirklich enge Freunde in der Flotte gehabt, und sie erwartete auch jetzt nicht, welche zu gewinnen. Dieser Gedanke blieb hängen.
Warum sollte sie keine Freunde haben? Falls die Leute sie mochten, und das schien ja der Fall zu sein …
Es war nur ihr flüchtiger Ruhm. Es hatte nichts mit ihrer wirklichen Persönlichkeit zu tun.
Konnte sie dessen sicher sein?
Sie trainierte härter, bis sie außer Atem war und schwitzte und jeder Gedanke an Freunde im Ringen nach Luft und Kraft untergegangen war.
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Beim Abendessen hörte sie sich die Tischgespräche an, ohne von Sorgen um einen anstehenden Vortrag abgelenkt zu werden.
Ensign Zintners Begeisterung für Rumpf & Architektur erinnerte sie an Lucis unkomplizierten Enthusiasmus für
Pferdezucht. Es war möglich, dass sie Zintner mochte. Sie sah sich im Kasino um und stellte fest, dass ein anderer weiblicher
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