Heldin wider Willen
Technologie der Familias beeindruckte ihn von neuem –
hier sah er so viel davon, und alles funktionierte so gut. Nichts vom vertrauten Gestank nach Schweiß und Fürzen. Saubere Luft trat aus einem Luftgitter aus und verschwand in einem anderen; die Beleuchtung flackerte nie; die künstliche Schwerkraft fühlte sich so solide an wie auf einem Planeten. Das Funkgerät und der Datenstab, die man ihm in die Hand gedrückt hatte, waren kleiner und funktionierten besser als ihre Gegenstücke auf Schiffen der Bluthorde.
Und deshalb waren sie schließlich hier – wegen der Technik, die sie weder hatten kaufen noch stehlen noch erfinden können.
Größere Schiffe, bessere Schiffe – Schiffe, die es mit Kreuzern der Familias und der Wohltätigen Hand aufnehmen konnten.
Und die Profis, die die Technik in Gang hielten … Vokrais musterte die Leute um ihn herum. Äußerlich machten sie nicht viel her, aber er hatte die durch Erziehung vermittelten Vorurteile ein Stück weit überwunden; er wusste, dass ein cleverer Verstand in einem Körper beliebiger Gestalt stecken 392
konnte. Aber kaum einer unter fünfzig sah hier ernsthaft nach einem Krieger aus.
Derweil… derweil war sein Rudel günstigerweise im ganzen DSR verstreut. Wahrscheinlich entschieden mehrere
Vorgesetzte, ihnen einfache Aufgaben zu übertragen, wie es auch bei ihm der Fall war. Schließlich würde Essenszeit sein, womit sie Zugriff auf Essbesteck erhielten, das sich ganz leicht zu effektiven Handwaffen umgestalten ließ.
Eine Stunde … zwei. Vokrais arbeitete weiter, war durchaus willens, Teile zu sortieren, sie auf Brettern auszulegen und auf Transportmaschinen zu stapeln. Er hatte keine Eile; sie hatten Zeit gewonnen, indem man sie in Schlaf versetzt und dann als Verletzte geborgen hatte, eine Ironie, die er beim Siegesmahl mit seinem Befehlshaber zu teilen hoffte. Einmal sah er kurz ein anderes Rudelmitglied, das irgendetwas für ihn nicht
Erkennbares trug; einen Augenblick lang begegneten sich ihre Blicke, dann wandte sich der andere Mann ab. Ja. So riesig dieses Schiff auch war, sie würden sich gegenseitig finden, und der Plan würde funktionieren. Und je mehr Zeit sie hatten, das Schiff zu erkunden und zu lernen, über welche Fähigkeiten es verfügte, desto einfacher würde es sein, ihm den Bauch
aufzuschlitzen, wenn der Zeitpunkt kam.
*
Esmay blickte auf, als ein Schatten über ihren Bildschirm lief.
CAMAJO stand auf dem Namensschild einer Uniform, die
ihrem Träger passte wie ein neuer Sattel… technisch gesehen, aber irgendwie doch unpassend. Die Abzeichen eines Petty-light 393
waren kürzlich auf dem Ärmel angeheftet worden und saßen nicht ganz gerade.
»Mir wurde aufgetragen, mich hier zu melden«, sagte der
Mann. »Bei Major … Major Pitak.« Sein Blick wanderte durch die Kabine, als suchte er sie nach versteckten Waffen ab; sein kurzer Blick auf Esmay hatte abfällig gewirkt. Bei ihr kribbelte es. Er erinnerte sie an etwas… an jemanden … Ihr plötzlich hellwacher Verstand tastete hektisch im Gedächtnis herum, um es herauszufinden. Sie senkte den Blick erst wieder auf den Monitor, ehe sie antwortete.
»Sie ist bei Commander Seveche. Sind Sie von der Wraith?«
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand von der Koskiusko sie mit einem solchen Blick bedachte. Er entsprach nicht den üblichen Gesichtern, die sagten: »Sie gehören nicht wirklich zur Flotte, nicht wahr?« oder »Sie sind die Kleine, die die Despite kommandiert hat, nicht wahr?« Oder sonst einem Ausdruck, den sie wiedererkannt hätte.
»Ja … Sir.« Die Pause riss Esmays Aufmerksamkeit wieder
von der Bildschirmgraphik weg. »Wir waren … in der vorderen Sektion … das Schlafgas …«
»Sie haben Glück, dass Sie noch leben«, fand Esmay und
verzieh dem Mann sofort sein merkwürdiges Benehmen. Falls er all das durchgemacht hatte, dann war gut möglich, dass ihn die Droge nach wie vor beeinflusste. »Wir haben die Wraith inzwischen hereingeholt; die Arbeit hat schon begonnen. Sie können hier auf Major Pitak warten oder vor Commander
Seveches Büro.«
»Wo ist Commander Seveches Büro?«, erkundigte sich der
Mann. Der Schiffschip in seiner Tasche piepte, und er schielte 394
auf eine Stelle zwischen ihm und Esmay. Sie wusste, was das bedeutete – der Schiffschip skizzierte ihm den Weg.
»Folgen Sie einfach Ihrem Chip«, sagte sie. Er wandte sich ohne die erforderliche Bestätigung ab; Esmay wollte schon etwas sagen, aber… Man hatte ihm
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