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Heldin wider Willen

Heldin wider Willen

Titel: Heldin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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nur Träumen nach …«
    »Das weiß ich. Beruhige dich wieder. Du meinst es ernst, genau wie ich es ernst gemeint habe … Und mir hat auch
    niemand geglaubt. Deshalb ist mir ja diese Idee gekommen …«
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    »Welche Idee?«
    Esmay gab ihrem Pferd einen Stups, und es spazierte zu Lucis Stute hinüber. Die Stute zuckte mit den Ohren, hielt aber ansonsten still. Esmay senkte die Stimme. »Wie du weißt, hat mir Vater eine Herde geschenkt. Das Letzte, was ich brauche, ist eine Herde, aber falls ich versuche, sie ihm zurückzugeben, wird er verletzt sein, und man wird mir ewig damit in den Ohren liegen.«
    Lucis Züge entspannten sich; beinahe lächelte sie. »Also?«
    »Also brauche ich jemanden, der die Herde für mich bewirtschaftet. Jemand, der sicherstellt, dass die Stuten zu den richtigen Hengsten kommen – dass die Fohlen richtig ausgebildet werden und auch wirklich auf den Markt kommen …«
    Familienpferde kamen fast nie auf den Markt. »… und so
    weiter«, fuhr Esmay fort. »Natürlich bezahle ich den Manager.
    Unter der Aufsicht des Meisters gedeiht die Herde … Und ich werde weit weg sein, und das für sehr lange Zeit.«
    »Du denkst an mich?«, flüsterte Luci. »Das ist zu viel… Die Stute, und dann noch …«
    »Mir gefällt die Art, wie du mit ihr umgehst«, sagte Esmay.
    »Genau so würde ich mir wünschen, dass man mit meinen
    Pferden umgeht, falls ich überhaupt Pferde haben wollte … Und da ich nun welche habe, halte ich es so für richtig. Du könntest das Geld für die Schule ansparen – ich weiß aus Erfahrung, dass es Eindruck auf die Familie machen wird, wenn du deine Flucht selbst bezahlst. Und du würdest Erfahrungen sammeln.«
    »Ich mache es«, sagte Luci lächelnd. Esmay musste an das Gespräch vom gestrigen Abend zurückdenken. Hier war
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    jemand, dessen Enthusiasmus nie in lauter Umsicht untergehen würde.
    »Du hast gar nicht gefragt, wie viel ich zahle«, sagte Esmay.
    »Das sollte man immer als Erstes herausfinden: Was kostet es, und was kriegst du?«
    »Daraufkommt es nicht an«, sagte Luci. »Es ist die Chance
    …«
    »Es kommt darauf an«, erwiderte Esmay und war erstaunt
    über die eigene raue Stimme; das Pferd unter ihr bewegte sich unbehaglich. »Chancen sind nicht das, wonach sie aussehen.«
    Als sie den Ausdruck auf Lucis Gesicht sah, riss sie sich zusammen. Warum war sie so negativ, nachdem sie gerade noch Lucis Eifer bewundert hatte? »Tut mir Leid. Ich erwarte
    Folgendes von dir: Eine ordentliche Buchhaltung, eine
    Aufführung der Kosten und Einnahmen. Jeweils zu Mittsommer
    – das müsste dir Zeit geben, um alles aufzuschreiben, nachdem die Fohlen auf die Welt gekommen sind.«
    »Aber wie viel…« Jetzt wirkte Luci besorgt.
    »Das hast du eben auch nicht gefragt. Ich entscheide das später. Vielleicht morgen.« Esmay stieß das Pferd an und nahm Kurs auf die ferne Baumreihe hinter der Galoppbahn; ihre Kusine folgte ihr.
     
    Sie hatte den alten Mann vom Empfang schon vergessen, bis ein Diener ihn nach dem Mittagessen erneut ankündigte, als sie noch in der Küche herumtrödelte und sich ein zweites Stück Rotnusstorte genehmigte, überhäuft mit echter Sahne.
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    »Soldat im Ruhestand Sebastian Coron, Dama, bittet um ein paar Augenblicke Ihrer Zeit.«
    Seb Coron … Natürlich würde sie ihn empfangen! Sie
    wischte sich den letzten Rest Torte von den Lippen und ging hinaus in die Halle, wo er gelassen stand und einer der jüngeren Kusinen beim Klavierüben zusah, während Sanni daneben stand und den Takt angab.
    »Das erinnert mich an Sie, Esmaya«, sagte er, als sie vortrat, um ihm die Hand zu schütteln.
    »Mich erinnert es an qualvolle Stunden«, sagte Esmay lä-
    chelnd. »Wer weder Talent noch Rhythmus in sich hat, sollte nie gezwungen werden, mehr als ein paar Tonleitern zu lernen
    … Und sobald wir zugegeben haben, wie schwierig es ist, sollte man es uns wieder ersparen.«
    »Naja, wissen Sie, so steht es nun mal in den alten Gesetzen.«
    Das tat es, obwohl Esmay nie begriffen hatte, warum jedes Kind
    – ob nun mit Fähigkeit oder Interesse ausgestattet oder nicht –
    gezwungen sein sollte, zehn Jahre musikalische Ausbildung an mindestens vier Instrumenten zu durchlaufen. Schließlich wurden auch nicht alle Kinder zu Soldaten ausgebildet.
    »Kommen Sie mit ins Wohnzimmer«, sagte Esmay und
    führte ihn in das vordere Zimmer, wo Frauen der Familie
    gewöhnlich Gäste empfingen. Die Stiefmutter hatte es wieder renovieren lassen, aber die hellen,

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