HelHeg-AxoRoa
Beruhigungsbad liegend mit Eukalyptus-Duschlotion und ätherischen Ölen ein:
»Du weißt aber schon, dass ich morgen wegfahre, Mifti?«
»Nein, du komisches Faszinationsdiktaturmonstrum.«
Annika erklärt, dass unsere Welt ständig in Bewegung ist und Trends die Vorreiter dieses Prozesses der Veränderung sind. Um auf der Spitze der Welle agieren zu können und nicht auf Strömungen reagieren zu müssen, unterhalten sie und ihre Agentur ein internationales Netzwerk - dessen Großteil am morgigen Dienstag auf einer Kostümparty mit dem Motto »Strange in Brandenburg« ein ironisch gemeintes Musikvideo für die MySpace-Seite der Agentur drehen wird. Im Rahmen dieser Veranstaltung singen dreißig bis vierzig »am Puls der Zeit lebende PR-Volontäre in hochwertigen Sommerkollektionen der von ihnen kontinuierlich betreuten Labels« den Song Poison von Alice Cooper. Initiiert hat das niemand Geringeres als Annika selbst. Sie ist und bleibt diejenige, die Erlebniswelten zu konzipieren und ihren markenaffinen Verstand mit der Erfahrung innovativer Marketingtools bestens zu paaren versteht.
»Du weißt doch: Wir nehmen beständig die Suche nach Trends und Veränderungen auf.«
»Ach so. Und wann kommst du wieder? Sag mal, findest du meine Zähne irgendwie komisch?«
»Hä? Nee?!«
»Hach.«
»Nächste Woche.«
»Warum denn erst nächste Woche? Was macht ihr denn da so lange? Du kommst doch dann nach Hause und schläfst drei Wochen durch. Das kannst du nicht bringen, Annika.«
»Das will ich auch gar nicht bringen. Wir müssen da ja auch noch konferieren und so. Ich finde nur, das ist ziemlich geile Scheiße.« »Ja, das ist geile Scheiße.«
Plötzlich reißt Edmond die Badezimmertür auf und schreit frohen Mutes: »SCHEISSDROGIS!«
Annika schreit zurück: »SCHEISSDROGI!«, und wirft diesen Duschlotionsblödsinn nach ihm, der jedoch nicht Edmond, sondern den Türrahmen trifft und für die nächsten vier Jahre Spuren seines Inhalts auf unserem Flurteppich hinterlassen wird.
Ich sage: »Edmond, kannst du bitte wieder rausgehen, ich möchte mich momentan auf unseren inakzeptablen Zustand als solchen konzentrieren.«
Er springt vollständig angezogen in die Badewanne. Ich drehe völlig durch. Annika lacht überambitioniert und hemmungslos verzweifelt Tränen, Edmond trägt türkisfarbene Doc Martens, in denen er noch vor wenigen Minuten quer durch ein nahegelegenes Waldstück gestampft ist. Matsche und Partikel von Hundescheiße überall im Badewasser. Er versucht, eine Position einzunehmen, die sich für alle Beteiligten als vertretbar erweist. Nun sitzt er ausgeglichen in unserer Mitte, um zuallererst natürlich mal ganz tief durchzuatmen.
»Mifti?«
»Ja?«
»Kannst du mir jetzt mein Geld wiedergeben? Geht es dir jetzt besser?« »Hä?«
Wir erfahren an dieser Stelle, dass ich nicht nur neben Edmonds Keyboard aus eloxiertem Aluminium gekotzt, sondern mich (gleichermaßen skrupellos) mit dem Argument »Scheiß Kapitalismus!« geweigert habe, ihm meine Schulden vom Vortag zurückzuzahlen.
»Aber was für Schulden denn?«
»Ja, das waren keine richtigen Schulden, sondern ich hab dir doch das Geld da gegeben, damit du das Dingens da kaufst.« »Was war das eigentlich?« »Ein internationales Kulturmagazin.« » Und jetzt? «
»Jetzt will ich sozusagen, dass ich das Restgeld wiederkriege.« »Ja, sorry, ich hol das schnell.«
Ich renne zu meinem Portemonnaie und stelle fest, dass das Geld irgendwie nicht reicht. Ich renne zurück, Edmond hat Annika in der Zwischenzeit seelenruhig einen Negerkuss ins Gesicht getan und guckt jetzt über ihren Brustkorb gebeugt, ob sie weiße Punkte auf den Mandeln hat.
»Das sieht schon cool aus von hier, also wenn Annika jetzt nicht nackt war, würde ich das fotographieren.«
»Ich habe so Halsschmerzen plötzlich, Mifti. Ich weiß gar nicht, woher die kommen. Edmond guckt jetzt gerade, ob ich weiße Punkte auf den Mandeln habe.«
»Wie viel kriege ich denn wohl wieder jetzt? Du weißt doch. Zinsen. Ein Germknödel pro Woche.«
Ich drücke ihm ein bisschen Kleingeld in die Hand.
»Ist das dein Ernst, Mifti?«
Annika: »Sag mal, Edmond, Unterhose und Socken bei Männern, das geht gar nicht.«
Edmond: »Ich kann halt meine eigene Sexyness nicht ertragen, die muss immer irgendwie entschärft werden, damit ich mich vorm Spiegel nicht immer selbst besteigen will.«
Mifti: »Naja, ich habe dieses Buch über die RAF gekauft, was ich ja auch kaufen sollte, wo die Frau da das
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