HelHeg-AxoRoa
sein kann oder so. Mein Körper schläft zitternd ein. Ich stehe in einer aus einem englischen Kino-Highlight entrissenen Maisonettewohnung und fasse einem glatzköpfigen Mann in den Schritt. Indem er mit Lippenstift »Spermafotze« an die Wand schreibt, stellt er unter Beweis, dass er ein hirnorganisches Syndrom hat. Alle Paar Schuhe, die ich jemals besessen habe, stehen der Größe nach aufgereiht in der Mitte des Zimmers. Aus ihnen quillt Sprühsahne und Kuchenteig. Ein paranoider Schub bewegt mich dazu, die Wohnung zu verlassen. Draußen ist überhaupt nichts mehr. Die komplette Welt besteht aus Bauschutt. Als ich wieder zurückkehre, ist die Wohnung zwischenzeitlich zu einem überdurchschnittlich komfortablen Hotel mutiert. Der Mann und ich laufen nebeneinander eine Wendeltreppe aus Stein hoch. Ich weiß, dass ich mit ihm geschlafen habe, kriege aber nicht mehr ganz zusammen, wann.
»Hast du irgendwelche Krankheiten oder so?«
»Wieso?«
»Weil ich wissen will, ob ich mir jetzt Sorgen machen muss.« Durch eine Schwingtür betreten wir einen breiten Korridor, in dem anstelle von Kronleuchtern Käfige aus Gitterstäben hängen. Aus den Käfigen schreit uns eine Auswahl der berühmtesten Menschen der Welt in einer Sprache an, die ich nie zuvor gehört habe. Madonna ist am Start und Marlon Brando und leider Gottes auch dieser andere komische Typ, mir fällt jetzt gerade sein Name nicht ein, der immer so mafiamäßig rumrockt. Mittlerweile läuft Ophelia neben mir, sie trägt einen roten Overall und antwortet nicht.
»Was ist? Warum antwortest du nicht? Ficken wir irgendwann mal weiter?«
»Nein.«
»Wieso nicht?«
»Ich ficke nicht mehr.«
»Mann, Alter, ich bin übelst geil!«
»Ich ficke jetzt nicht mehr mit dir.«
»Aber warum denn nicht?«
»Ich will nicht.«
»Bist du positiv?«
»Ja.«
»Wie bitte?« »Ja.«
»Du bist positiv?«
»Ja. Aber das weißt du doch.«
Alles ist schwarz und weiß, weil ich keine Farben mehr kenne. Ich gehe tanzen. Bryan Ferry sagt zu mir: »Weihnachten haben wir alle total klassisch verbracht, also wirklich, wahnsinnig klassisch, UNGLAUBLICH klassisch. Bis die kleine Schwester von der Modeschwuchtel die bahnbrechende Idee hatte, auf dem Grundstück ihrer verstorbenen Großmutter so eine Ritualscheiße abzuziehen. Wir haben unsere Wünsche auf Zettel geschrieben und in ganz kleingerissenen Stückchen in den Wind geworfen und alles, was wir hinter uns lassen wollten, haben wir auch auf Zettel geschrieben, die wir dann aber ins Feuer geworfen haben, na ja. Zu guter Letzt stießen wir alle gemeinsam einen Urschrei aus.«
»Aha, die Modeschwuchtel, ich verstehe.«
Er überreicht mir feierlich zwei in mit Diddlmäusen bedrucktem Geschenkpapier eingepackte Tickets nach Los Angeles. »You are in the wrong town, you should be in Hollywood!«
»Warum schenkst du mir das?«
»Weil du Geburtstag hast.«
Ich sehe aus dem Fenster. Es kann nicht stimmen, dass heute der 16. August ist. Draußen liegt Schnee. Innerhalb weniger Augenblicke macht sich die felsenfeste Überzeugung in mir breit, dass ich träume. Wenn das ein Traum ist, denke ich, ist die komplette Menschheit verloren. Ich drehe mich um, ich beiße mir auf die
Lippen, ich spüre den Wind, ich stelle fest, dass alles echt ist, dass alles dreidimensional ist.
»Was kann man in so einem verzwickten Zwischenweltexzess tun, um wieder aufzuwachen, Bryan?«
Weil er nicht antwortet und ich versuchen will, das Beste aus meiner unausweichlichen Scheißsituation zu machen, stürze ich mich aus dem dritten Stock. Tagelang fliege ich über eine glazial geprägte Landschaft.
Frustrated Women (I mean, they're frustrated)
(The Standells)
Ideal ist ein Zustand, in dem man einfach nur so auf Adrenalin durch die Scheiße segelt und denkt: Am liebsten würde ich jetzt die Hauptrolle in einem Musikvideo zu Ifeel love von Donna Summer spielen, und überhaupt, krasse Scheiße, alles ist aus dem Ruder gelaufen, denn die Sonne geht wieder auf. Unsere Wohnung wird von sich durch die Jalousien quetschenden Lichtstrahlen durchflutet. Ein inakzeptabler Gestank schlägt mir entgegen. Edmond ist halt ein Mensch, der das Knabbern an einer bereits von jemand anderem verdauten Honigmelone zu seinen Lieblingsfreizeitbeschäftigungen zählt. In seinem Türrahmen stehend beobachte ich entgeistert, wie mein vollständig ausgezogener Bruder schnarchend auf dem Rücken liegt und fotographiert wird. Ein Mann, der unter fünfundzwanzig und mir
Weitere Kostenlose Bücher