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HelHeg-AxoRoa

HelHeg-AxoRoa

Titel: HelHeg-AxoRoa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Gesichtern, an denen rotbraungefärbte Haarsträhnen kleben bleiben, kann ich mir weiß Gott was Vertretbareres vorstellen, als ausgerechnet in diesem Ambiente einer Panikattacke zum Opfer zu fallen.
    Jeder in meine Richtung abgeschossene Blick verwandelt sich in einen Pfeil, der mich trifft und den ich vor lauter Paranoia, anstatt ihn rauszuziehen, so tief in meinen Körper reinbohre, dass ihn niemand mehr sehen kann.Vor mir reihe ich die als Nächstes zu bewältigenden Arbeitsschritte aneinander - aus der Wodka lache aufstehen, die durchnässten Schnürsenkel zumachen, nach Hause fahren oder zumindest Nachtluft schnuppern an einem weit geöffneten Fenster. Zu blockiert, meine Arme bewegen sich nicht, meine Knie geben nach, meine Augen können nichts mehr fixieren, und das alles mit zehn Zentimeter langen Pfeilspitzen in meiner Rippengegend, die sich ineinander verkeilt haben. Ich will heulen, das funktioniert nicht, ich will mich an den von Ophelia vor meiner ersten Ecstasypille geäußerten Satz: »Das geht vorbei« erinnern, und auch das funktioniert nicht, weil sich inzwischen nicht mehr die routinierte Frage nach der Dauer des Horrors stellt, sondern nur noch zwei dunkel vor mir aufleuchtende Möglichkeiten am Start sind: Entweder ich überlebe das und kann ab morgen beschließen, nie wieder Drogen zu nehmen, ich werde mir das auf einen Zettel schreiben: DAS ZEUG IST NICHT GUT FÜR DICH! Und danach drei Wochen einen Sexkino Idyllenzeitraum veranstalten, abwechselnd Pornos und Spaghetti Sorrentina und Erziehungsratgeber. Oder aber: Ich sterbe jetzt. Foxi streckt mir seine Hand entgegen, es kostet mich sehr große Überwindung, mich von ihm hochziehen zu lassen, kurz an der Wand anzulehnen und dann drei Schritte zur nächstgelegenen Abstützmöglichkeit zu stolpern. Es ist Alessa. Unter ihrem fetten Make-up ist inzwischen ein großer roter Pickel zutage getreten, von Angesicht zu Angesicht mit den Pickeln eines anderen konfrontiert zu werden ist natürlich immer ziemlich schwierig, und sie sagt: »Mifti, das tut mir ja so leid mit dem Heroin, soll ich dir den Finger in den Hals stecken?« Irgendjemand brüllt: »Ha ha, Heroin, wie out ist das denn.« Ich weiß, was ich antworten will, mache den Mund auf, und meine Stimme versagt, quäle mir ein halbes Nicken raus, das mich voll überanstrengt, quäle mich vier Schritte weiter durch inhaltsloses Rumgetanze in eine Richtung, die ich mir nicht ausgesucht habe und fühle nur, wie irgendwelche abgesonderten Flüssigkeiten meinen Rücken runterströmen. Sieben Schritte bis ich zu dem kleinen Geländer einer Wendeltreppe komme, an dem ich mich eine Wahnsinnsmenge unregelmäßiger Stufen hochziehe. Irgendjemand schreit: »Ey, die da vorne geht aufs Dach! Schatz, du darfst nicht aufs Dach, die lassen hier niemanden mehr aufs Dach nach null Uhr, weil die Chance besoffen da runterzustürzen bei ungefähr neunundneunzig Prozent liegt.«
    Am Ende der Wendeltreppe ist eine kleine Luke. Ich stemme sie auf, indem ich sowohl mich selbst als auch die kleine Menge verbliebener Kraftreserven in mir zusammenreiße. Kalter Wind, es fühlt sich an, als würde ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich atmen. Dreiminütiger Kurzurlaub im Teutoburger Wald.
    Ohne bewusst miterlebt zu haben, wie mein Körper das bewerkstelligt hat, stehe ich endlich wieder fest auf beiden Beinen, auf der Mitte des Daches, mit einem Ausblick auf Berlin, der tiefste Gerührtheit in mir auslöst. Allein im Westen der Stadt entdecke ich von hier oben auf Anhieb drei brennende Mülltonnen. Als ich mich umdrehe, sehe ich in einer Entfernung von etwa hundert Metern eine kleine Gruppe einander die Hände schüttelnder Leute, aus der ein Umriss in einem Fihythmus auf mich zusteuert, der mir bekannt vorkommt. Das Format der Handtasche kommt mir bekannt vor.
    Das Geräusch der Absätze kommt mir bekannt vor. Sie ist noch immer zu konditioniert, um auf den Ballen zu gehen.
    Dann steht sie plötzlich vor mir, in einem souverän gehaltenen Abstand, hebt langsam die Hand und fährt sich links und rechts durch die Haare, und ich muss lächeln, weil das so typisch für sie ist. Und anders als früher. Es ist, als würde ich sie gerade noch mal kennenlernen, obwohl sie sie ist. In zweitausend anderen Ländern, in zweitausend Wohnungen, in der Hölle, im Himmel, wird sie immer sie sein.
    Ich gucke sie an, sie guckt mich an, wir stehen da wie zwei Eichhörnchen in diesen Zeichentrickfilmen und stellen im Dornengestrüpp

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