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HelHeg-AxoRoa

HelHeg-AxoRoa

Titel: HelHeg-AxoRoa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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plötzlich fest, dass die komplette Außenwelt in Anwesenheit des anderen ruhigen Gewissens
    ausgeklammert werden kann. Keine Ahnung wie lange. Mein Zeitempfinden wird von etwas anderem überschattet. Es sind vielleicht zwei Minuten Stille oder zwei Stunden, jedenfalls ist das alles unfassbar, der Schweiß auf meiner Haut wird zu einer meinen Körper einhüllenden Eisschicht. Mein Gesicht versteinert sich und mein Mund steht offen. Alice. O. k. Ich habe bereits angefangen, es stilvoll zu finden, dich als verflossene Legende zu hypen, und jetzt stehst du hier in meiner endlich einsetzenden Regenerationsphase plötzlich vor mir, starrst mich an, und gezwungenermaßen normalisiert sich mein Herzschlag.
    »Hast du dir weh getan?«, sagt sie. »Wie bitte?«
    »Hier fällt ungefähr dreißig Mal pro Nacht irgendjemand die letzte Stufe hoch. Hab so ein Gestöhne gehört und dachte: Scheiße, schon wieder.«
    LIEBER GOTT, ICH VERLANGE JA NICHT, DASS SIE AUF IHRE UNDURCHSICHTIGKEIT VERZICHTET, ICH VERLANGE NUR EIN GANZ, GANZ KLEINES STÜCKCHEN FREIHEIT!!!!!!
    »Hab ich gestöhnt?«
    »Du hast irgendein Geräusch gemacht.«
    »Ich bin einfach nur ein bisschen überfordert.«
    »Ja, das bin ich auch oft.«
    »Weiß ich.« »Ahm ...«
    »Warum bist du so?«
    »Ich glaube, du hast Fieber, ist alles in Ordnung?« »Was soll denn bitte in Ordnung sein?« »Schatz?« »Es ist nichts.«
    »Genau das wollte ich hören.«
    »Ich frage dich jetzt am besten mal, was du hier machst.«
    »Auflegen. Und zwar in zehn Minuten. Wenn du noch ein Getränk willst, sagst du mir am besten JETZT Bescheid.« »Nein.« »Mifti?« »Ja?«
    Sie atmet ein und genau darauf habe ich gewartet, auf dieses Fünkchen Ehrlichkeit in ihrem Gesicht, darauf, dass jede ihrer Regungen in Zeitlupe abläuft, dass die Zeit sowieso irgendwie stehen bleibt und man sich wieder anguckt und weiß, was bisher passiert ist und jedes Getränk und jeder Job vollkommen egal ist plötzlich.
    »Verabscheust du mich?«
    Und dann überkommt mich plötzlich irgendwas.
    »Weißt du noch, wie du mir das Meer gezeigt hast? Als ich krank geworden bin in dem Ferienhaus in Frankreich mit diesen Fieberschüben, zwischen all den überdimensionalen Tierpostern und diesen in randlosem Glas gerahmten Fotos von Sonnenuntergängen, du weißt worauf ich hinauswill, als ich diese Panik gekriegt habe und 40 Grad Fieber. Ich weiß jetzt, woran das lag. Ich hatte Angst vor meinem eigenen Körper oder vor der Tatsache, dass mein Bewusstsein nichts mit der Welt zu tun hat, schon gar nichts mit meinem Fleisch oder meiner Haut und diesem ganzen optisch in Erscheinung tretenden Material, das mir einfach immer so zugeordnet worden ist bisher. Ich wollte aufhören zu denken, weil Wörter bedeutungslos waren, weil Bedeutungslosigkeit bedeutungslos war, weil das Leben nichts wert war, weil meine komplette Physiognomie Teil des in sich stimmigen Organismus eines belebten Himmelskörper ist, von dem ICH mich aber abgrenze. Und dann bist du morgens mit mir ans Meer gegangen. Jeden Morgen haben wir das Meer angestarrt und wir waren da so gerne, weil es wie wir war, Alice. Es war die Antwort auf alles. Das Meer verstand sich von selbst. Und das Meer ist nur das Meer, solange es in Bewegung ist. Alles, was du mich gefragt hast und alles, was wir gesehen haben und gemacht haben, das verstand sich alles von selbst, es war ein Kunstwerk, und das Kunstwerk waren wir.
    Das Meer lebt von den Wellen und jede einzelne Welle bricht irgendwann, einfach, weil sie sich vorwärtsbewegt. Ich sehe immer dein Gesicht und wie es nach irgendeinem Ausdruck strebt. Die Wellen, die sich brechen, verlieren ihre Form und bringen ihre Form dadurch erst richtig zum Ausdruck. Und jetzt, jetzt stehst du plötzlich vor mir. Und ich sehe dein Gesicht, aber irgendwie anders. Und ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass es dich wirklich gibt.«
    Ohne sich noch mal nach mir umzudrehen, klettert sie als personifizierter »Business Casual Wear«-Begriff zurück durch die Luke. Als personifizierte Koketterie viel eher. Ich habe noch nie in meinem Leben so unkontrolliert gezittert wie jetzt. Mein Sternenhimmel, meine Stadt, mein wie ein epileptischer Anfall anmutender Totalabsturz.
    Irgendwie kriege ich es trotz allem hin, die rudimentärste, an Partybesucher gestellte Anforderung zu erfüllen: Wenn schon nicht cool, dann wenigstens unauffällig sein. Wäre das ein Film, würde eine an irgendeiner Sonderkonstruktion über meinem Kopf befestigte

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