HelHeg-AxoRoa
ersten Mal seit drei Tagen vor den Spiegel und habe fast schon vergessen, wie ich aussehe. Dann lege ich mich mit nassen Haaren zurück unter die Decke und lese den Zettel: Bleib ruhig liegen, es ist alles in Ordnung.
Im Türrahmen steht der ausschließlich in Boxershorts steckende Mottosweatshirttyp und sagt: »Bleib ruhig liegen, es ist alles in Ordnung.«
Der sieht wirklich irgendwie gut aus, wie ein Typ aus einem auf Segelbooten spielenden Nouvelle-Vague-Film. Es gibt da eine bestimmte Sorte Oberarme, die ich einfach gut finde und die nichts mit Rudergeräten zu tun hat, sondern ausschließlich genetisch bedingt ist.
»Wie spät ist es?«
»Fünf Uhr morgens.«
»Hab ich nur so kurz geschlafen?«
»Du bist vorgestern Nacht um drei eingeschlafen und hast bis jetzt durchgepennt. Von einem Tag deines Lebens hast du nichts mitbekommen.Warte, ich zeig dir kurz was.« Er poltert durch die Wohnung und kommt mit einem in seinem Handy geöffneten Fotoalbum zurück. Aus dem Bildschirm springen mich meine tellergroßen Pupillen an aus der Ketaminnacht vor zwei Wochen, das ist krass, das sage ich ihm auch. Danach stellen wir uns vor. Er heißt Viktor und will mir nicht seinen Beruf verraten, anhand meines ausgeuferten Verhaltens vorgestern Nacht hat er sich erschlossen, dass ich intelligent genug bin, mir den selbst zu erarbeiten. »Ich will übrigens nichts von dir. Du interessierst mich nicht wirklich. Ich finde dich zwar faktisch irgendwie heiß, verstehst du, was ich meine, aber ich bin absolut nicht an dir interessiert.«
»Du bist Psychotherapeut!«
»Genau.«
»Und sitzt jeden Tag extrem gut angezogen in irgendeiner mit roten Samtvorhängen ausgestatteten Praxis am Kollwitzplatz.« »Genau.«
»In so was war ich auch mal, das endete dann damit, dass der Therapeut gesagt hat, ich sei therapieresistent und ich mit 'nem eingeschlafenen Bein nach draußen robben musste. Das war so unglaublich peinlich. Ein eingeschlafenes Bein und verwischter Kajal in meinen Augenwinkeln. Er noch so: >Geht es?< Und ich so: >Ja, klar, kein Problem, mein Bein ist nur eingeschlafen, o Gott.<«
»O. k.?!«
»Und bei dem zweiten Therapeuten war es dann so, also, der galt im Vorhinein als der absolute Oberchecker, na ja, ich gehe da so rein und sehe einen Heidegger-Band und sage altklug bis zum Getno: >Oh, Heidegger!< Und er antwortet: >Ey, falls Sie denken ich würde mit Ihnen über Philosophie quatschen, habe n Sie sich gewaltig geschnitten<. Die dritte hat mich irgendwann rausgeschmissen und drei Tage später war eine vollständig blaue Postkarte im Briefkasten, auf der stand, es täte ihr leid, irgendwas hätte sie da überkommen. Und bei der vierten musste ich einen Menschen, einen Baum und eine Allee malen, bevor sie sich mir vorgestellt hat. Mein Vater hatte auch eine. Zu der sollte ich dann mal mit. Die war wirklich ganz schrecklich. Typischer Fall von Gegenübertragung. Als sie mal kurz mit mir gesprochen hat, über meine Schulverweigerungsproblematik, ist er auf dem gegenüberliegenden Sessel eingeschlafen.«
Ein höchstens vierjähriges Kind mit einem in den Hinterkopf rasierten Playboybunny steht im Zimmer. »Wir könnten mit meiner Pyramide spielen«, sagt das Mädchen, Viktor sagt in einem wirklich coolen, unangestrengten Ton: »Ey, come on, entweder du gehst wieder schlafen oder du beschäftigst dich jetzt irgendwie mit dir selbst.« Und ich erkenne, dass es eine Welt gibt, die auch ohne teure Viskosestoffproben oder dem ununterbrochen geäußerten Satz: »Drei Tage nach meinem ersten Arschfick habe ich eine Fingerspitze Gleitcreme auf meinem Scheißhaufen entdeckt« auskommt.
»Papa, ich weiß nicht was ich machen soll.«
»Ich kann auch nichts dafür, dass hier heute mal zur Abwechslung kein Diamantenschloss am Start ist , sondern nur dein überdimensionales Sortiment an pädagogischem Lernspielzeug, aber hör bitte auf mit dieser Nervscheiße! Langeweile kann auch total schön sein manchmal. Ich habe jetzt drei verschiedene Möglichkeiten für dich, aber das können wir alles erst in frühestens zwei Stunden durchziehen. Entweder, du räumst dein Zimmer auf...« »Aber da liegt wer in meinem Bett.«
»Trotzdem.Wärst du dazu bereit, dein Zimmer aufzuräumen?« »Boah, nee ey, was soll ich denn da aufräumen?«
»Zum Beispiel die Eisenbahnschienen, und dann kannst du noch deine ganzen Frösche sortieren.« »Was ist die zweite Möglichkeit?« »Mifti backt mit dir Waffeln. Sony, Mifti.« »Und die
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