Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HelHeg-AxoRoa

HelHeg-AxoRoa

Titel: HelHeg-AxoRoa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Heftigkeit meines Pulsschlags auswirkende Beat interessiert mich nicht, obwohl mein Blutdruck kurz davor ist, irgendein für die Eigenversorgung des Lungengewebes zuständiges Gefäß zerplatzen zu lassen. Von weitem sehe ich Jürgen, dessen Freudengeschrei zu dreißig Prozent auf meine Anwesenheit und zu siebzig Prozent auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass hier die ganze Zeit irgendein beauftragter, angeheirateter Großunternehmer rumläuft und ausgewählten Gästen ungefragt bis zu drei Gramm Koks in deren Arschtaschen steckt. Ecstasy-bowle ist ebenfalls vorhanden. Alles, was ich will, ist Wasser. Einen Plastikbecher mit Wasser, das diese Scheißatemnot irgendwo anders hinspült und mich wieder etwas anderes sein lässt als diese fleischgewordene, megaklaustrophobisch einen aus T-Shirt-Ärmeln rausstehenden Ellbogen nach dem anderen abkriegende ANGST. Mich interessiert nicht, dass Gloria und Thomas sich gerade vor den perfekt zurechtgemachten Augen ihrer dreihundert Bekannten den Namen des jeweils anderen tätowieren lassen, auf einem kleinen Podest liegend, mit an ihrem Hochzeitsdress befestigten Engelsflügeln. Jubelgeschrei, durchsichtige Plastikstühle, Kerzenlicht, die Schulter eines Mannes mit eng zusammenstehenden Augen, auf der ich gerade versehentlich mein Kinn abgelegt habe. Ich fange an zu spüren, wie unfassbar gut der aussieht in seinem vermutlich von irgendeiner Jungdesignerin geflockt bedruckten Mottosweatshirt. Er steht kurz still, mit meiner rechten Hand in seiner, bis ich mich entspanne und er näher kommt und sagt:
    »Du darfst übrigens ruhig atmen.«
    »Ich kann irgendwie nicht mehr atmen.«
    Meine Hand an seinem Nacken, abwechselnd flach auf seiner Schulter oder zusammengeballt wie eine Faust. Sein Bauch und seine Oberschenkel an meinem Bauch, an meinen Oberschenkeln. Meine Lippen, schrecklicherweise in der Nähe seines Ohrs. Die leichteste Veränderung des Drucks seiner Hand auf meinem Rücken verändert unsere Bewegung. Weil ich auf jede erdenkliche Weise versuche, mir meine Zärtlichkeit zu erhalten, sage ich unglaublicherweise den schrecklichen Satz: »Fass mich an.«
    Er legt seine Hand etwas zu energisch auf meinen Kopf, und ich zittere, wegen dieser Dinge die in mir aufsteigen, wegen dieser Scheißsituation und meiner Lebenslust, was soll ich tun, er braucht nur noch einmal die Hand nach mir auszustrecken, ich sehe mir das alles ohne die geringste Reaktion an, seine Finger versuchen, meine fettigen Haare zu enttorken, der ganze Horror verschwindet durch den Abfluss, und sobald nur eine Spur Verlangen im Spiel ist, erstarre ich wie ein kleiner vom Blitz getroffener Scheißschlaukopf. Als er mich küsst, bedeutet das Krieg. Ich gucke auf einen Spuckefaden, den ich zwischen pechschwarzen Bartstoppeln auf seiner Wange hinterlassen habe und drehe mich um.
    Er keift mir hinterher: »Was schleppst du da eigentlich die ganze Zeit für ein Scheißtier mit dir rum?«
    Inzwischen hat sich auch Glorias Taxifahrervater tätowieren lassen. Wie schön. Er kann jetzt das in seinen Unterarm gemeißelte Gesicht von Rudi Carrell durch Neukölln spazieren tragen. Ich wichse in die Bodylotion meiner Schwester.
    Im äußeren Rand meines Blickfelds platziert sich Ophelia momentan so, dass sie sehen kann, welche Platte Emre als Nächstes auflegt. Ich finde es geil, wenn sich die Schlampe mit meinem Sperma einreibt.
    Er hat ihr nicht nur widersprüchliche Gefühle eingebrockt, sondern den allergrößten Dreckscheiß ihres Lebens. Den liebte sie nämlich. Er war der Erste, den sie ernsthaft geliebt hat, der Arsch. Und normalerweise schreit er den ganzen Tag »GOOD LIFE« in einem sonnendurchfluteten Apartment in London. Die beiden hatten eine kranke Passion für Brian Wilson von den Beach Boys, weil der ist so sick und so, Pet Sounds ist ja auch nur dunkel dunkel dunkel. Ich hab mich mit diesem ganzen komplizierten Beziehungsproblem im letzten Herbst mal unter einer japanischen Zierkirsche vor Ophelias Haustür behelligen lassen. »Ich liebe die Welt, ich liebe Fohlen, ich liebe Adjektive, genau wie du, ich liebe den Görlitzer Park, ich liebe Frauen. Und Männer sind halt irgendwie beschränkt«, sagte sie. »Ich habe mit zwölf einen ganzen Roman geschrieben, der nur aus Songtexten von Nick Cave zusammengeflickt war. >Next to me lies the print of your body plan like the map of a forbidden land.<«
    O-Ton Bryan Ferry: Where would you go if you were me? Weit und breit hassverzerrte, erfolglose

Weitere Kostenlose Bücher